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Screenshots aus dem Spiel "Life is Strange: Double Exposure"
Credit: Square Enix

© Square Enix

Neues „Life is Strange“-Spiel: Trauerarbeit zwischen den Welten

Im Computerspiel „Life is Strange: Double Exposure“ geht es um Trauer, übernatürliche Kräfte und einen Mord. Zwischenmenschliches steht im Mittelpunkt. Aber ist es glaubwürdig inszeniert?

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Ein neuer Wohnort, neue Freunde, ein attraktiver Job – Maxine Caulfield hat ihr Leben umgekrempelt. Ihre preisgekrönten Fotografien haben ihr ein Stipendium an der renommierten Caledon University im US-Staat Vermont eingebracht, wo sie nun als „photographer in residence“ und als Dozentin tätig ist. Doch ein Trauma aus der Vergangenheit überschattet den Neuanfang.

Max hat sich hier gut eingelebt, möchte man meinen. Und doch ist die Katastrophe, die zehn Jahre zurückliegt und im ersten Teil der „Life is Strange“-Reihe erzählt wurde, noch allzu präsent: Ein Verbrechen an einem Kleinstadt-College, Machtmissbrauch, ein apokalyptischer Wirbelsturm. Damals musste sich Max – und mit ihr die Spielenden – am Ende entscheiden, ob das Leben ihrer Freundin Chloe oder die Stadt geopfert werden sollte. Ihre übernatürlichen Kräfte, die diese Wahl möglich machten, wollte Max eigentlich nie wieder nutzen. Doch das ändert sich nun, als ein mysteriöser Todesfall die Caledon University erschüttert.

Paralleluniversen statt Zeitreise

Die Ausgangslage von „Life is Strange: Double Exposure“ (deutsch: „Doppelbelichtung“) ist vielversprechend – und die Erwartungen an das Computerspiel hoch, nachdem „Life is Strange“ 2015 erzählerisch neue Maßstäbe im Medium setzte. Das episodenhaft strukturierte Coming-of-Age-Drama bot glaubwürdig menschliche Haupt- und Nebenfiguren: Ihre Gefühle, ihre Sprache, auch das, was zwischen den Zeilen kommuniziert wurde – all das war ungewohnt nuanciert.

Für Spannung sorgte auch Max’ übernatürliche Fähigkeit, die Zeit zurückzuspulen und den Lauf der Dinge zu ändern, was Spieler:innen immer wieder vor moralische Entscheidungen stellte. Das Spiel schwankte zwischen Schockmomenten und melancholischer Versunkenheit – die durch die Weichzeichner-Ästhetik und den Indie-Folk-Soundtrack (Mogwai, Amanda Palmer usw.) noch unterstrichen wurde. In welchem anderen Spiel konnte man sich schon einfach auf die Couch setzen und Gitarre spielen?

„Life is Strange“ war der Ausgangspunkt für eine Spielereihe mit wechselnden Schauplätzen und Protagonisten, „Life is Strange: Double Exposure“ knüpft nun wieder an die Geschehnisse des ersten Teils an und bringt Max als Hauptfigur zurück. Als ihre Freundin Safi auf dem Campus an einer Schusswunde stirbt, macht sich Max auf die Suche nach dem Mörder.

Bald merkt sie, dass sich ihre übernatürlichen Fähigkeiten verändert haben: Sie kann nicht mehr die Zeit zurückdrehen, dafür aber zwischen zwei Parallelwelten hin- und herreisen. In der einen Welt ist Safi bereits tot, in der anderen aber noch lebendig, aber offenbar ebenfalls in großer Gefahr; auch andere Handlungsstränge haben sich unterschiedlich entwickelt. Max versucht nun, Safis Leben zu retten, indem sie beide Welten erforscht – und hier wie dort die Geschehnisse beeinflusst.

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Der ständige Weltenwechsel hat durchaus seinen Reiz. Und zwar besonders dann, wenn Max dadurch mehr über die Personen erfährt, die in „Double Exposure“ eine Rolle spielen: ihren nerdigen, etwas undurchsichtigen Freund Moses, diverse Uni-Lehrkräfte mit ihren ganz eigenen Agenden, den Kopf der Studentenverbindung „Abraxas“ oder auch die Barkeeperin, mit der Max gleich zu Beginn heftig flirtet.

In den Gesprächen und den parallel laufenden Social-Media-Posts erfährt sie viel über die Motive und Querverbindungen der Person und setzt dieses Wissen wie ein Puzzle zusammen; mit ihrer Polaroid-Kamera dokumentiert sie das Geschehen. Spieler:innen können in den Dialogen wählen, ob Max eher einfühlsam, forsch oder gar inquisitorisch auftritt. Wirklich toll ist dabei speziell die Mimik der Figuren gelungen – mit Details wie nervösem Blinzeln, Stirnrunzeln oder einem zweifelnd hochgezogenen Mundwinkel. Auch die deutsche Synchronisation kann sich hören lassen.

Unglaubwürdige Figuren, behauptete Konsequenzen

Weniger überzeugend ist allerdings, was „Double Exposure“ aus den Figuren selbst macht – denn diese verhalten sich oft erstaunlich widersprüchlich. Ein haarsträubendes Beispiel ist Max selbst, als sie erfährt, dass ihre Freundin ihr Portemonnaie durchwühlt hat – und im Dialog dann nicht einmal entrüstet sein kann. Manche Figuren reagieren auf Max’ bisweilen sehr seltsame Fragen („Wo würdest du deine Wertsachen verstecken?“) mit irritierendem Gleichmut und im Nachgang mit schierer Amnesie. Das stört besonders, weil das Spiel regelmäßig per Einblendung betont, dass diese oder jene Entscheidung „Konsequenzen haben wird“.

Dass viele Aktionen ganz offensichtlich keine Konsequenzen haben, lässt das Ganze dann etwas beliebig wirken. Auch die spielerischen Aufgaben sind oft allzu einfach gestrickt: Etwa dann, wenn Max erst die Uni-Bar nach Details abklappern muss, bevor sie überhaupt mit der Barfrau sprechen kann. Oder auch, wenn sie einen Schlüssel routiniert von einer Welt in die andere transportiert, um dort einen Safe zu öffnen.

Trotz dieser teils unglaubwürdigen Figurenzeichnung und der allzu routinierten Rätselei gelingt „Double Exposure“ Bemerkenswertes: Die Handlung bleibt spannend. Das liegt zum einen daran, dass manche Charaktere tatsächlich so vielschichtig sind, dass man immer mehr über sie erfahren möchte. Zum anderen hat „Double Exposure“ in seinen rund zwölf Stunden Spielzeit sehr stimmungsvolle und auch anrührende Momente. Die emotionale Wucht des Vorgängers erreicht das Sequel allerdings nicht ganz.

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