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Nonnen und Madonnen: Die Antiquitätenmesse Tefaf in Maastricht
Auf der weltweit besten Messe für Antiquitäten blitzen die Konflikte der Zeit auf. Die 38. Ausgabe antwortet mit den Heroen europäischer Malerei.
Stand:
Dass die zahlungskräftige Klientel die Kunst- und Antiquitätenmesse Tefaf für gewöhnlich in großer Zahl mit dem Privatjet ansteuert, hat sich auch in Aktivistenkreisen herumgesprochen. Am ersten Preview-Tag demonstrierte deshalb eine Gruppe von Klimaaktivisten von Extinction Rebellion vor den Eingängen zum Kongressgebäude MECC. Nach ihrer Weigerung, den Platz zu verlassen, schritt die Polizei ein und beendete den Protest.
Scherzglas mit Erotik-Faktor
Mögen die Zeiten noch so turbulent sein: Im Innern des umkämpften Marktplatzes, der wie stets mit spektakulären Blumenarrangements überwältigt, herrscht Business as usual. Die betuchte Sammlerschaft, darunter viele Chinesen und US-Amerikaner, die Donald Trumps neuerliche Kampfansage an Europa ignorierten, füllte in kürzester Zeit die Gänge, um bei Peter Harrington aus London einen Blick auf eine rare Ausgabe von Shakespeares Theaterstücken zu werfen (600.000 Euro), eine chinesische, ganz in Blau gehaltene Weltkarte von 1811 für 486.000 Euro bei Daniel Crouch Rare Books zu bewundern oder von Max Ernst und Lucio Fontana entworfene Schmuckstücke bei Didier Ltd.
Die Kunstkammer Laue aus München hält ein 68.000 Euro teures, erotisches Scherzglas von 1690 bereit; ein Unikat aus Nürnberg mit einem gläsernen Trinkhalm in Form einer barbusigen Frau, an deren Brust das Getränk gesaugt werden muss.
Alte Meister sind gefragt
Angesichts der Vielfalt und hohen Qualität der mitgebrachten Preziosen bekam man nicht unbedingt bestätigt, dass sich der Kunstmarkt in einer Krise befindet. Die jährliche Erhebung der Kulturökonomin Clare McAndrew wies für 2024 in der ersten Hälfte zwar einen Rückgang von fast 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahr aus. Dennoch geizt auch diese Tefaf-Ausgabe als Pflichttermin der globalen Kunstgemeinde nicht mit kostspieligen Stücken, allen voran im weiterhin konkurrenzlos starken Segment der alten Meister, wo man gleich bei drei musealen Gemälden von Frans Hals zugreifen kann. Im Angebot sind sie bei den Galerien Adam Williams Fine Art, Salomon Lillian und David Koetser aus Zürich, der für das „Porträt einer jungen Frau“ 4,8 Millionen Euro in Rechnung stellt.
Alle Preisrekorde bricht aber das Segment Moderne, in dem man 90 der 273 anwesenden Galerien aus mehr als 20 Ländern findet. Die größte Attraktion ist das 1965 entstandene Gemälde „Les Dormeurs“ von Picasso bei Landau Fine Art – Pech nur, dass es nicht zum Verkauf steht. Am Stand sind Spitzenwerke von Chagall, Giacometti, Henry Moore und Jawlensky zu sehen, aber die porträtierte Jacqueline, Muse des Spaniers, bekommt die größte Aufmerksamkeit. Ihr Wert wird auf 50 Millionen US-Dollar geschätzt.
Picasso wird nicht verkauft
„Wir haben dieses Gemälde speziell nach Maastricht gebracht“, so Robert Landau, „weil es dort der beste Ort ist, um es zu präsentieren. Etwa ein Drittel dieser Messe ist der modernen Kunst des 20. Jahrhunderts gewidmet.“ Trennen möchte sich Landau von dem Bild aber vorerst nicht. „Auf jeden Fall finden wir das Werk so wichtig, dass wir es Liebhabern zeigen wollen.“ Und vielleicht möchte man auch erstmal durch die gelungene PR den Wert steigern?
Ein anderer Spanier sorgt bei der Londoner Galerie Stuart Lochhead Sculpture ebenfalls für ein erhöhtes Aufkommen. Velázquez´ „Porträt von Mutter Jerónima de la Fuente“ aus der Sammlung von Fernández de Araoz Marañón fällt durch die strenge Haltung der Nonne auf, die dem Betrachter ein Kruzifix wie eine Waffe entgegenhält. Neben ihr liegt in einer Vitrine ein ähnliches Bronzekruzifix, das angeblich von Michelangelo modelliert wurde. Das 25 Zentimeter lange Objekt, das sich noch in einer niederländischen Privatsammlung befindet, wird auf 1,8 Millionen Euro geschätzt. Eigentlich ein für den Renaissance-Titanen viel zu niedriger Preis, weswegen auf der Kartusche wohl der Schriftzug „Nach einem Modell von Michelangelo Buonarroti“ steht.
Neben der Madrider Caylus Gallery, die Werke von Ribera und Murillo im Gepäck hat, setzt auch Colnaghi auf das spanische Goldene Zeitalter und bezaubert mit der bemalten Terrakotta-Madonna von Luisa Roldán, genannt Roldana. Sie lernte in der Werkstatt ihres Vaters, des Barockbildhauers Pedro Roldán, und wurde sogar zur Hofbildhauerin ernannt, starb aber trotzdem in Armut.

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Profitiert hat wohl auch der westafrikanische Prinz William Nii Nortey Dowuona nicht von seinen Sitzungen bei Gustav Klimt. Der Galerie Wienerroither & Kohlbacher aus Wien gelingt mit der Wiederentdeckung des 15 Millionen Euro teuren Porträts von 1897 trotzdem eine Überraschung. Entstanden ist es im Kontext einer Wiener Völkerschau, bei der Menschen unterschiedlicher ethnischer Herkunft zur Schau gestellt wurden. Das Prinzenporträt von Franz Matsch kennt man gut, Klimts Version tauchte dagegen das letzte Mal in einem Auktionskatalog von 1923 auf.
Vergangenes Jahr sollte es bereits in Maastricht im Rampenlicht stehen, doch da es sich um einen Fall von NS-Raubkunst handelt, verhinderten Verhandlungen zu seiner Restitution den Auftritt. Ursprünglich gehörte das Werk Ernestine Klein, die das Haus besaß, in dem Klimt sein letztes Atelier hatte. Nur eine von vielen die Marktfantasie befeuernden Geschichten, die man in diesem die Krisen der Welt überstrahlenden Museum auf Zeit aufstöbern kann.
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