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Barbara Quandts Bild „Mauer am Brandenburger Tor“, 1990.

© Kunstsammlung der Berliner Volksbank / Thomas Krüger / VG Bild-Kunst, Bonn 2025

Grenze und Generation: Die Jubiläumsschau der Sammlung Berliner Volksbank

Vor 40 Jahren entschied das Unternehmen, Kunst aus der DDR zu erwerben. Mit der Wende weitete sich der Blick auf West-Berlin, das Ergebnis ist eine singuläre Sammlung.

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Manches in der Ausstellung changiert so sehr, dass es alle vertrauten Grenzen sprengt .1987 zum Beispiel malte Cornelia Schleime „Sibirischer Frühling“ auf einer konkaven Leinwand. Ein kommunikatives Bild, das die Verfasstheit der Künstlerin nach ihrer Ausreise dokumentiert.

Schleime musste die DDR 1984 auf Druck verlassen, drei Jahre später entsteht das Motiv eines weiblichen Figurenensembles, das über sich selbst hinauswächst.

In der Stiftung Kunstforum der Berliner Volksbank markiert dieses Werk ein Dazwischen. Es kam erst 2020 in die Sammlung, ist kein in der DDR entstandenes Gemälde, aber auch kein Produkt aus West-Berliner Zeiten. Vielmehr steht „Sibirischer Frühling“ für eine Biografie unter dem Einfluss beider politischer Systeme. In der jetzigen Jubiläumsschau „Mensch Berlin“, die den 40. Geburtstag der Sammlung feiert, hat Schleimes Bild damit seinen festen Platz.

Vom Zoo an den Lietzensee

Andere Arbeiten müssen im Depot bleiben. 1500 Werke von 200 Künstlerinnen und Künstlern wurden bis heute erworben, der Raum in der Stiftung Volksbank, die nach vielen Jahren am Zoo an den Lietzensee zog, reicht für 60 Exponate. Am alten Ort in jenem Eckgebäude, das ursprünglich ein Hotel werden sollte, dann zum Bank-Bürohaus umfunktioniert wurde und über eine großzügige Lobby verfügte, in der diverse Ausstellungen stattgefunden haben, waren die Bestände der Sammlung dafür seltener zu sehen.

Nun konzentriert man sich darauf, ergänzt die eigenen Projekte um Leihgaben und verleiht selbst Werke aus der hochkarätigen Sammlung. Während der Ausstellung hängt Kuratorin Anja Mosbeck deshalb immer wieder einiges neu, um einen Eindruck von der Vielfalt und Qualität des Vorhandenen zu geben.

Blick auf Kunst aus der DDR

Das erste Objekt war eine Figur, die „Sich Umschauende“ (1973) von Ludwig Gabriel Schrieber. Ein weiblicher Akt in Bewegung, dem drei weitere Werke des Bildhauers folgten, der an der Hochschule der Künste Berlin lehrte. Dann änderte sich der Fokus der Sammlung, auf der Suche nach einem Alleinstellungsmerkmal verfiel man auf figürliche Malerei und Skulptur aus der DDR und hier bevorzugt auf die kulturellen Zentren Dresden und Leipzig.

Damals beriet der Berliner Galerist Dieter Brusberg die GrundkreditBank, die ihrer Sammlung einen singulären Schwerpunkt geben wollte – und Brusberg hatte Künstler wie Bernhard Heisig, Wolfgang Mattheuer und Werner Tübke für sich entdeckt.

Karol Broniatowski, „Schreitender“, 1986.

© VG Bild-Kunst, Bonn 2025, Foto: Peter Adamik

Was blieb, war die Konzentration auf ein individuelles Werk: Wer angekauft wurde, den begleiteten die Verantwortlichen über längere Phasen, sodass heute größere Konvolute etwa des Malers Gerhard Altenbourg im Bestand der Sammlung sind.

Dissidenten und Künstlerinnen

Bis zur Wende und danach kaufte man Gemälde und Skulpturen etwa von Werner Stötzer oder Karol Broniatowski an. Erworben wurde oft direkt aus den Ateliers, immer aber über den Staatlichen Kunsthandel der DDR. Die Ausstellung „Zeitvergleich 88 “ brachte Werke der nächsten Generation, darunter Hartwig Ebersbach oder Hubertus Giebe, nach Wedding in die AEG-Hallen – gut 20 Arbeiten blieben anschließend hier.

Dann fiel die Mauer, die neuen Verhältnisse forderten eine veränderte Sicht auf die Kunstszene. Der Sammlung fehlten: Dissidenten wie A.R. Penck, unbequeme Protagonisten der DDR, vor allem aber Künstlerinnen. Inzwischen ergänzen Werke von Gudrun Brüne, Ursula Strozynski, Angela Hampel oder Cornelia Schleime den Bestand, andere Lücken lassen sich weit schwerer füllen. So sind Penck und Georg Baselitz ausschließlich mit grafischen Arbeiten vertreten, die Preise ihrer Gemälde sprengen längst den finanziellen Spielraum.

Mensch und Stadt

Die wiedervereinigte Stadt erweiterte den Blick schließlich auch um das Kunstschaffen in West-Berlin. Zur figurativen Malerei gesellten sich urbane Landschaften, in der Ausstellung sind sie durch Helmut Middendorfs expressive „Oranienstraße“ (1983), das Panoramabild „Berliner Ensemble am Schiffbauerdamm“ (2005) von Roland Nicolaus oder Barbara Quandts „Mauer am Branenburger Tor“ von 1990 vertreten.

Zusammen mit den Menschenbildern der Künstlerin Franek, einem Akt von Norbert Bisky oder Trak Wendischs „Zungenrausstrecker“ ergeben sie ein spannungsreiches, durchaus konträres Stimmungsbild quer durch die Geschichte Berlins.

Auch andere Umbrüche spiegeln sich in der Stiftung Kunstforum. Ende der neunziger Jahre fusionierte die GrundkreditBank mit der Berliner Volksbank, beide Sammlungen wuchsen zusammen. Die Überführung in eine Stiftung vor wenigen Jahren garantiert ihre Unverkäuflichkeit in Zeiten, die andere Unternehmen nutzen, um sich ihrer Kunstbestände zu entledigen.

Honoriert wird diese Entscheidung mit Schenkungen und Nachlässen, und immer noch gelingen Geschäftsführer Sebastian Pflum bemerkenswerte Ankäufe, die Lücken füllen. Einstige Grenzen sind weiterhin sichtbar – aber das ist gewünscht und ganz im Sinn einer vielfach gebrochenen Biografie.

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