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Kultur: Nordlichter

Zu allererst: Diese Landschaftsfotos sind dramatisch schön. Zufällig gleichzeitig zeigen mit Jyrki Parantainen und Jorma Puranen in Berlin zwei Wegbereiter der so genannten Helsinki School of Photography großformatige Ansichten vom kalten Norden.

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Zu allererst: Diese Landschaftsfotos sind dramatisch schön. Zufällig gleichzeitig zeigen mit Jyrki Parantainen und Jorma Puranen in Berlin zwei Wegbereiter der so genannten Helsinki School of Photography großformatige Ansichten vom kalten Norden. Da strahlen Schnee und klarer Himmel, schimmern Wasser und weite Horizonte, als sollten die Aufnahmen die jüngsten Klimaprognosen vergessen lassen. Doch so ursprünglich und unberührt, wie man ihn gern hätte, ist der Norden nicht. Jyrki Parantainens aktuelle C-Prints in der Galerie Herrmann und Wagner bestechen mit honigfarbenem Licht (bis 21. April, Koppenplatz 6). Es schmeichelt der Silhouette von Helsinki genauso wie verlassenen Swimmingpools, in denen seit Jahren niemand mehr gebadet hat. In der Natur kommt es jedoch nicht vor. Es entsteht im Studio, wenn Parantainen die Landschaften ein zweites Mal ablichtet – er macht Fotos von seinen Fotos. Auf das Papier der ersten Abzüge pinnt er außerdem blutrote Fäden, und aus kleinen Lettra-Set-Buchstaben rubbelt er Wörter darauf, die das Schlimmste ahnen lassen. So stehen im Himmel über Helsinki die Namen der sieben Hauptsünden – demnach müssten in der Stadt Neid, Geiz und Wolllust regieren. Parantainen stört Träume vom heilen Norden mit Andeutungen von Albträumen. Hass und Machtgier beherrschten bereits seine opulenten Feuer- und Tragödienserien. Jetzt zähmt Jyrki Parantainen, seit Herbst 2006 Professor an der Kunst-Universität von Helsinki (TaiK), die Gewalt mit der Kraft des Understatements (zwischen 4200 und 8400 Euro, Auflage: fünf Exemplare).

Wie Parantainen nutzt auch der elf Jahre ältere Jorma Puranen ausschließlich analoge Mittel, um mit Wunschbildern vom Norden aufzuräumen. Die Galerie Blickensdorff (bis 25. Mai, Auguststr. 65) zeigt sieben C-Prints aus der Serie „Icy Prospects“ des ehemaligen Professors der Kunst-Universität in Helsinki, der auch in der Charlottenburger Villa Oppenheim ausstellt. Für „Icy Prospects“ ist Puranen in den äußerten Norden Skandinaviens gefahren. An ausgewählten Orten hat er mit schwarzem Alkyd bestrichene Holztafeln aufgestellt, damit sich Berge und Seen darauf spiegeln. Diese Bilder aus purem Licht hat er fotografiert. Auch die Pinselspuren im Alkyd und die Unebenheiten des Holzes sind auf die Platte seiner Mittelformatkamera gebannt. Deshalb sehen die Aufnahmen nun aus wie Malerei, wie romantische Gemälde von kahlen Bäumen und erhabenen Schnee- und Wolkenfeldern. Doch genauso wichtig, wie das, was Puranen abgebildet hat, ist das, was er nicht abgebildet hat. „Icy Prospects“ ist in den Wandergebieten der Samen entstanden, in denen der Künstler bereits in den 90er Jahren fotografierte. Damals steckte er ethnologische Porträts von skandinavischen Ureinwohnern und Seidenfahnen mit aufgedruckten samischen Vokabeln in den Schnee. In Lappland, so ließen sich diese Fotos lesen, gibt es keine „unberührte Natur“, Lappland ist ein alter Kulturraum. Auch Puranens aktuelle Fotos erinnern daran. Sie zeigen ja nicht den Norden selbst, sondern nur seitenverkehrte, verschleierte Spiegelbilder idealer Landschaften – kurzum: nichts als Projektionen (zwischen 2600 und 8000 Euro, Auflage: sechs Exemplare).

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