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Sokhiev spielt Mahlers „Auferstehungssymphonie“: Nun bist du bezwungen!

Nun bist du bezwungen! Tugan Sokhiev und das DSO spielen Mahlers „Auferstehungssymphonie“ in der Philharmonie

Tugan Sokhiev ist ein Orchesterchef, der den Vergleich nicht scheut. In seiner zweiten Saison beim Deutschen Symphonie-Orchester serviert er mit Mahlers „Auferstehungssymphonie“ das bebende Bekenntnis eines Komponisten, dem sich schon seine Vorgänger Kent Nagano und Ingo Metzmacher widmeten. Auch die Berliner Dirigenten-Kollegen Simon Rattle und Ivan Fischer sind bekennende Mahlerianer. Über die Haupt- und Nebenwege der Mahler-Exegese weiß man in der Hauptstadt bestens Bescheid.

Dazu gehört auch diese Grundeinsicht: Der technisch beschlagenere Dirigent ist der bessere Mahler-Interpret. Wem es gelingt, die unzähligen Anmerkungen, mit denen der gefeierte Dirigent Mahler seine Partituren spickte, auch körperlich nachvollziehbar aufzuschlüsseln, ist automatisch näher dran am Kern der Klangmacht. Sohkiev ist ein eleganter Dirigent, der mit dem Vorbehalt zu kämpfen hat, der allen eleganten Dirigenten gern gemacht wird: Schön, nur fehlt die Tiefe. Nur eine Saison hat er gebraucht, um sein Publikum eines Besseren zu belehren. Und jetzt: Mahlers Zweite.

„Todtenfeier“, „Urlicht“ und das Kantatenfinale samt Orgelschlag – hier werden Kräfte aufgeboten, die nicht nur entfacht, sondern auch beherrscht werden wollen. Räume weiten sich über alles Vorstellbare hinaus, wollen durchmessen, besessen sein. Sokhievs Sicht klingt ganz anders als die edle Zerknirschung Rattles oder die erdige Attacke Metzmachers. Es ländlert auch nicht so idiomatisch korrekt wie bei Fischer. Sokhiev verschafft sich Luft mit einem Kniff: Mahler ist für ihn zuerst Kunst.

Das genügt schon, um die schwere Partitur etwas anzuheben, ohne je wuchten zu müssen. Und: Der Chef traut seinen Musikern etwas zu, glaubt an die Tragfähigkeit leiser Töne. Wenn er deutlich korrigierend eingreift, dann um zu dämpfen. Das ist bei einem Werk, dass die Gräber aufsprengen will, viel wert. Mahler klingt russischer und französischer zugleich unter Sokhievs Händen, im Schatten spielen fremde Farben. Das Ergebnis ist kein kathartischer Krampf, es ist, in seinen besten Momenten, ein Wundern, Aufhorchen. Die Solistinnen Anastasia Kalagina und Sasha Cooke sowie der Rundfunkchor stellen sich ganz in diesen uneitlen Dienst. Ulrich Amling

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