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Kultur: Odyssee im Wohnraum

Von Wattestäbchen und Wurfmaschinen: der Berliner Documenta-Teilnehmer John Bock in der Galerie Klosterfelde

Auf dem Tisch liegen seltsame Utensilien: Da ist eine kleine Plastikflasche, in der sich früher einmal eine Körperlotion befand – jetzt ist sie garniert mit einem wirren Gerüst aus Wattestäbchen. Da ist ein Paar Filzpantoffeln, denen Haltevorrichtungen aus Wäscheklammern aufgesetzt wurden; in der einen steckt eine Möhre, in der anderen ein Strauß Petersilie. Außerdem finden sich noch eine Hose in einem Holzgestell, eine leere Packung Kaffeesahne, eine Art Wurfmaschine en miniature und genau genommen ist der Tisch auch kein Tisch, sondern ein winziges Kinderklavier. Fehlt eigentlich nur noch das Kaninchen, denn das spielt – neben dem Künstler selbst – die Hauptrolle in dem neuen Werk von John Bock, dessen Requisiten hier ausgebreitet vor einem liegen wie die Marterwerkzeuge Christi auf einem gotischen Flügelaltar.

Natürlich kann man das dargebotene Rätsel auch anders angehen, zum Beispiel kann man sich zuerst den Film anschauen, der in der Galerie Klosterfelde ebenfalls zu sehen ist. Dann nämlich würde sich die Existenz der mirakulösen Dinge auf einfache und sehr amüsante Weise erklären. Ohne dem Plot allzu viel von seiner Spannung nehmen zu wollen, dazu an dieser Stelle nur folgendes: Sollte sich jemals die unwahrscheinliche Konstellation ergeben, dass Jörg Buttgereit, Sam Peckinpah sowie Fischli und Weiss beschlössen, dereinst im Himmel gemeinsam einen Kinofilm zu drehen, so könnte es sein, dass das Resultat genau so aussähe (Filmunikat und Installation zusammen 35000 Euro).

Jedenfalls dürften auch eingefleischte John-Bock-Fans nicht enttäuscht sein von der jüngsten Entwicklung im Schaffen des 1965 in Schleswig-Holstein geborenen Documenta-XI-Teilnehmers. Der absurde Witz, das ironisch Orgiastische und allerliebst leicht neben der Spur Angesiedelte, das die Arbeiten von John Bock schon früher ausgezeichnet hat, findet sich in dem neuen Film „Der Gast“ konzentriert wieder. Allerdings ist im Gegensatz zu vergleichbaren älteren Werken die Neigung zur handwerklichen Elaboriertheit unverkennbar. Die Kombinationen von Schnitt und Gegenschnitt, von Handlung und Tonspur, generell die Dramaturgie in „Der Gast“ – inklusive Ausschnitte aus Kubricks „Odyssee im Weltraum“ – sind inzwischen recht unironisch zur Perfektion gereift, was dem Vergnügen aber keinen Abbruch tut, im Gegenteil.

Buchstäblich auf Abstand gegangen ist John Bock auch bei der zweiten Arbeit, die Klosterfelde derzeit ausstellt. Es ist einmal mehr eine Rauminstallation mit Dada-haften Collagen und verrückten Figurenarrangements, freilich mit einem entscheidenden Unterschied: Der Raum ist nicht zugänglich. Stattdessen hängt ein Holzkasten wie ein Baumhaus hoch oben im Gebälk der Galerie (50000 Euro).

Zu betrachten ist das Ensemble lediglich durch ein mächtig großes, bewegliches Periskop, das auf natürlichem Weg eine Distanz herstellt, die man so von Bock noch nicht kannte. Bisher ging der Künstler mit der ausgeprägten Kindskopf-Attitüde immer direkt in die Vollen, nun scheint es, als wolle er etwas mehr Abstand wahren zwischen sich und seinem Publikum. Obgleich man das auch nicht überinterpretieren sollte: Schließlich lässt sich mit einem Periskop wunderbar herumspielen.

Galerie Klosterfelde, Zimmerstraße 90/91, bis 24. April; Dienstag bis Sonnabend 11–18 Uhr.

Ulrich Clewing

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