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Pilgern macht durstig. Einer der Performer in Aktion.

© Maike Storf

Performance in den Sophiensälen: Islam für Anfänger

Auf nach Mekka: Für ihre Performance „Zwischen den Säulen“ in den Sophiensälen ist das Künstlerkollektiv Markus & Markus zum Islam konvertiert.

Den Haddsch, die Pilgerreise, sollten alle erwachsenen Muslime, weiblich oder männlich, einmal in ihrem Leben unternommen haben. Sofern es ihnen möglich ist, lautet der nicht unwichtige Zusatz. Bekanntlich führt die Wallfahrt nach Mekka, Saudi-Arabien, wo es unter anderem gilt, in einer Riesenmenge anderer Gläubiger die Kaaba sieben Mal dem Uhrzeigersinn entgegen zu umschreiten. Ob das in Berlins Freier Theaterszene zur Allgemeinbildung zählt? Die Künstler Markus Schäfer und Markus Wenzel, Gründer des Kollektivs Markus & Markus, wissen jedenfalls genau über diesen Ritus Bescheid, denn sie sind – quasi aus aktuellem Anlass – zum Islam konvertiert.

So jedenfalls beschreiben sie es in ihrer jüngsten Performance „Zwischen den Säulen“, die in den Sophiensälen zur Premiere gekommen ist und sich entlang der titelgebenden fünf Grundpfeiler des Islam mit einer Religion auseinander setzt, deren Image im Westen ja politurbedürftig ist. In den Kapiteln Glaubensbekenntnis, Gebet, Almosen und Fasten, den übrigen vier Säulen, erzählen Schäfer und Wenzel von einer Odyssee, die ihren Ausgang bei den deutschen Klassikern nimmt: Goethes „West-östlicher Diwan“, Lessings „Nathan“! Die großen Versöhner also, deren ganzheitlicher abrahamitischer Ansatz ja gerade nicht mehr so en vogue ist. Markus und Markus tragen sie unter Puderperücken der Epoche und mit entsprechendem Pathos vor.

Der Abend beginnt überhaupt recht verspielt, auf einer Bühne, die mit allerlei orientalischen Ornamenten geschmückt ist und auf der ein batteriebetriebenes Kamel seine Kreise um eine Palme zieht. Denn das Kamel, so erfahren wir, kennt als einziges Geschöpf den hundertsten Namen Gottes, weswegen es auch sein Haupt so hoch trägt. Das steht im Zoo auf keiner Tafel!

Kein Alkohol mehr?

Fasten, Spenden, Beten: „Zwischen den Säulen“ mäandert in der ersten Hälfte recht munter durch allerlei Koran- und Islam-verwandte Themen. Es gibt vielstimmige, auf Interviews gründende Berichte zum individuellen Umgang mit dem Ramadan. Einen Arabischkurs für Anfänger. Einen Rekurs auf Peter Brooks Entflammung für ein schiitisches Passionsspiel. Und allerlei alternative Wahrheiten zur Moscheentradition in Deutschland.

Mit zunehmender Dauer aber findet die Inszenierung zu einem anderen Ernst. Spätestens mit der Video-dokumentierten Konversion von Markus & Markus in der islamischen Gemeinde Penzberg in Bayern, die mit der Übergabe eines offiziellen Schriftstücks endet – falls die beiden mal nach Mekka wollen, wie’s heißt. Sie wollen. Und diese ebenfalls mit der Kamera festgehaltenen Reiseeindrücke von einer gigantischen Wallfahrtsmaschinerie in Saudi-Arabien, in die sich die beiden ohne ironische Distanz als Staunende begeben, haben einen ganz eigenen Sog. Weil sie Fragen aufwerfen, die nicht so leicht zu beantworten sind. Welche rituelle Struktur ein Glaube braucht, um zur Entfaltung zu gelangen, beispielsweise. Und ob die beiden Performer jetzt wirklich keinen Alkohol mehr trinken?

Moment des Ungewissen

Natürlich spielt es im Ernst keine Rolle, was hier Dokumentation und was Fiktion ist. Die Vermischung war schon immer Teil des Konzepts von Markus & Markus, zur Blüte gebracht in ihrer vorangegangenen Ibsen-Trilogie. Für „John Gabriel Borkman“ engagierten sich die Künstler aus Hildesheim einen echten Bankrotteur als Titelhelden. In „Gespenster“ begleiteten sie eine lebensüberdrüssige Dame mit der Kamera zur Sterbehilfe in die Schweiz. Und in „Peer Gynt" besetzten sie einen Demenzkranken, der wie Ibsens Peer ein großer Fantasie-Reisender war.

„Zwischen den Säulen“ untermauert nun einmal mehr, dass die beiden mit ihrem Theater tatsächlich auf der Suche nach dem Moment des Ungewissen sind. Und das ist selten.

wieder am 22. und 24.6., 20 Uhr

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