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Kultur: Pizza für alle

Der Gutmensch als brüllkomischer Tölpel: „Mr. Deeds“ in Steven Brills Frank-Capra-Remake

Von Ralph Eue

Eine Filmhandlung capraesk zu nennen ist fast so beliebt wie das Etikett kafkaesk. Noch dazu stehen beide für des anderen Gegenteil: Hier ein vages Verständnis von German Angst oder Le Weltschmerz, dort die mindestens so beliebige Vorstellung von American Spirit und Positive Thinking. Kein Wunder, dass der US-Kritikerpapst Roger Ebert einst ironisch mahnte, die Verwendung des Adjektivs capraesk unter Strafe zu stellen.

Alle Filme des Produzenten und Comedy-Stars Adam Sandler jedenfalls gelten bislang als capraesk. Das hängt wohl damit zusammen, dass die guten oder naiven Kleinstadt-Charaktere, die er so häufig darstellt – von „Happy Gilmore“ bis „Little Nicky“, von „The Wedding Singer“ zum „Big Daddy“ – , sämtliche Fiesitäten ihrer Widersacher glorreich parieren. Gelegentlich gelang es dem Komiker Sandler sogar, über die Armseligkeit der Filme zu triumphieren, in die ihn der Produzent Sandler gestellt hatte. Mit „Mr. Deeds“ nun packt Sandler den Stier bei den Hörnern: das Remake eines echten Frank Capra-Films, sogar eines seiner zentralen: „Mr. Deeds geht in die Stadt“.

Capras „Mr. Deeds“ (nach einem Drehbuch von Robert Riskin) war die Story eines neuzeitlichen und unfreiwilligen Robin Hood, angesiedelt im Amerika von Roosevelts New Deal: Capra verhalf damit 1936 dem Geist der Zeit zu ebenso naivem wie raffiniertem Ausdruck. Der Film zeugt von Capras Gewissheit – so Norbert Grob im Nachwort zur deutschen Ausgabe von Capras Autobiografie –, dass das Kino die schönsten Hoffnungen wecken kann, ohne dabei den düsteren Alltag zu überdecken. Poetischer Realismus in seiner klassischsten Hollywood-Variante.

Mr. Deeds war Gary Cooper: ein weltfremder und kauziger Grußkartendichter von komischer, also heiliger Ernsthaftigkeit. Aus Mandrake Falls in New Hampshire stammend - was im Deutschen einen Klang hat wie, sagen wir, Wolfenbüttel - vermittelt Deeds mit seiner Odyssee durchs kultivierte und abgebrühte New York, dass Leute wie er das Salz der Erde verkörpern. Über seinen Helden Gary Cooper und sich selbst sagte Capra einmal: „Ich bin als Bauer auf die Welt gekommen. Ich wollte den einfachen Mann besingen, seine Probleme, seine Träume, und Gary Cooper war für mich die Verkörperung dieses einfachen Mannes, so groß und hager, so hungrig aussehend. Ein guter Mann, auch in seinem eigenen Leben, und ein ehrlicher Mann, das ist doch wohl der beste Typ Mensch, den es geben kann. Das ist nämlich ein König. Das ist Mr. Deeds.“

Adam Sandlers Mr. Deeds dagegen ist einer, der allmorgendlich einen Clown zu verfrühstücken scheint. Als „grenzdebiles Landei“ - so charakterisiert der deutsche Verleih diese Neuauflage des Capra-Helden - stochert er durch eine Geschichte, deren Stationen zwar deutlich an das Original erinnern, deren Sinn aber grölender Comedy-Routine zum Opfer gefallen ist: Deeds, der nette Pizzabäcker, macht eine unerwartete 40-Milliarden-Dollar-Erbschaft. Damit wird er auch Chef über ein Medienimperium, dessen weltläufiger und boshafter Geschäftsführer (Peter Gallagher) ihn aber gründlich über den Tisch ziehen will. Ohne Rücksicht auf Status, Garderobe und Ansehen verprügelt Deeds in einem Restaurant einige Vertreter der New Yorker Kulturschickeria, um anschließend bei einer Sauftour mit John McEnroe (!) noch weiter abzustürzen.

Filmriss bis zum Katerfrühstück: Schließlich hilft er, euphorisiert von den Sirenen der New Yorker Feuerwehr, bei einem Brand-Einsatz mit, wobei er heldenhaft eine ganze Katzenfamilie aus den Flammen rettet. Diese sympathische Tat jedoch wird von einer sensationsgierigen Boulevard-Sendung zur Rüpelei eines Milliardärs umgedichtet. Und noch etwas: In der Zwischenzeit hat sich Deeds in exakt jene Reporterin (Winona Ryder) verliebt, die ihm unter falscher Identität diesen dummen Medien-Skandal erst eingebrockt hat!

Die Niederlagen Gary Coopers in den Capra-Filmen hatten nur einen Sinn: Sie stellten die Welt und die Überzeugungen des Mr. Deeds von den Füßen auf den Kopf und zurück auf die Füße. Sandler und Regisseur Steven Brill dagegen begnügen sich mit einem flach ironischen Habitus. Sie liefern nichts weiter als eine Parade hübscher Scherze, denen aber Entscheidendes fehlt – sentimentale Boshaftigkeit, süße Schärfe, wache Träume. Oder anders: Man wünscht sich nachhaltiges Leuchten und bekommt stattdessen ephemeres Glitzern. Oder noch anders: Es bräuchte Haltung, wo nur Rhetorik herrscht. Ralph Eue

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