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Die US-amerikanische Musikerin Lizzo.

© Luke Gilford

Hip-Hop-Star Lizzo in Berlin: Plötzlich klingt "Bitch" wie eine Liebeserklärung

Lizzo überzeugt bei ihrem Berlin-Debüt im Festsaal Kreuzberg mit Aretha-Stimme und Solidaritätsbekundungen.

Von Andreas Busche

Was schön ist, und welche Schönheitsnormen gesellschaftlich akzeptiert zu sein haben, will sich Melissa Jefferson von niemandem vorschreiben lassen. Sie hat unter den Blicken und Vorstellungen anderer lange genug gelitten. Also steht sie am Montag mit herausforderndem Blick auf der Bühne des Festsaal Kreuzberg – in einem suggestiv knappen Jumpsuit, der ihre üppige Silhouette in voller Pracht zur Geltung bringt.

„So if you fight like a girl, cry like a girl/ Do your thing, run the whole damn world“ singt sie in „Like A Girl“, der lautesten ihrer Selbstermächtigungshymnen auf dem aktuellen Album „Cuz I Love You“. In puncto Lautstärke kann es Lizzo, diese larger than life Kunstfigur aus Girlpower und geradezu ansteckender Lebensenergie, mit ihren Fans allerdings nicht aufnehmen. Der Geräuschpegel ist vom ersten Stück an ohrenbetäubend, und er fällt in den nächsten anderthalb Stunden nur unwesentlich ab.

Seid euer eigenes Rolemodel!

Lizzo ist mit ihrer allumfassenden Solidaritätsbotschaft – bei ihr klingt „Bitch“ wirklich wie eine Liebeserklärung an ihre Geschlechtsgenossinnen – im Hip-Hop momentan Everybody’s Darling. Aber „Cuz I Love You“ kann einen nur unzureichend auf die Power ihrer Auftritte vorbereiten: Lizzo ist mit ihrer Girlgang, vier Tänzerinnen und eine DJ, unermüdlich im Einsatz. Ihre Gospelchor-gestählte Stimme erreicht locker Aretha-Volumen, darunter legen sich dreckige Trap-Beats, schmelzige Soul-Melodien und hochoktanige Clubstampfer: Nicht ohne Grund hieß ihr Debüt von 2013 „Lizzobangers“.

Doch body positivity hin oder her: Melissa Jefferson will sich nicht auf ihre Figur reduzieren lassen. Sei dein eigenes Rolemodel, ruft sie ihren Fans zu, wackelt zu den Stroboskopbeats von „Tempo“ mit dem Hintern und spielt irgendwann das wohl erste Querflötensolo im Hip-Hop. Dass sie heute Konzerte ausverkauft, war in ihrer Lebensgeschichte nicht vorgeschrieben, erzählt sie und unterdrückt einmal merklich die Tränen. Lizzo hat natürlich recht: Auch große Mädchen dürfen weinen.

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