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Jesse Sykes

© promo

Konzert: Schön melancholisch

Jesse Sykes und "The Sweet Hereafter" lassen im Kreuzberger Privatclub Erinnerungen an die Ära des psychedelischen Countryrock wach werden.

Jesse Sykes ist eine schlanke Schönheit mit dunklen, langen Haaren bis runter auf die Harmony-H59-Rocket-E-Gitarre. Mit dünnen, langen Beinen bis runter auf die Bühne. Und einer dunklen Stimme mit geisterhaftem Wehen bis in die Unendlichkeit.

Um sie herum baut ihre Band The Sweet Hereafter im kleinen Kreuzberger Privatclub Klangwolken und Lautstärke auf. Und selige Erinnerungen an die psychedelische Eight-Miles-High-Ära amerikanischer West-Coast-Bands: Byrds, Jefferson Airplane, Grateful Dead.

Noch abgewandt vom Publikum steigt aus der Versenkung eines vorsichtigen Beginns einer langen, versunkenen Intrumentalimprovisation eine dräuende Kraft auf, die sich zusammenballt zu dichten Soundgewittern und sich irgendwann entlädt in Feedbackpfeifen und schwerem Tosen. Um dann aber auch gleich wieder in schläfrige Leichtigkeit mit flatterndem Gesang zu entschweben.

Der Reiz des Auftritts liegt im perfekten Zusammenwirken von Jesse Sykes dunklen melancholischen Songs, ihrer Stimme, die klingt wie abgeschabter, schwarzer Samt, und dem dichten Gitarrensound ihres Lebens- und Bühnenpartners Phil Wandscher. Der hatte mit Ryan Adams 1994 die Alternative-Country-Rock-Band Whiskeytown gegründet. Seit 2002 begleitet er Sykes durchs Leben, durch Aufnahmestudios und Konzerte.

Was Jesse Sykes & the Sweet Hereafter aus Seattle heute auf die Bühne bringen, Songs vom neuen Album "Marble Son" und von den drei vorangegangenen Platten, würde mit der Charakterisierung "Alternative Country" oder "Americana" eher in die Irre führen. Wie bei den frühen Grateful Dead mit Jerry Garcia finden sich neben einem leichten Country-Einschlag immer wieder wechselnde Anklänge an Folk, Jazz, Blues, Psychedelia, Rock und indische Ragas.

Der Linkshänder Wandscher mit Hippie-Locken und Frank-Zappa-Bart zupft und rupft aus einer schwarzen DeArmond-Starfire-Special formidable Riffs und Läufe, lange Soli mit viel Hall, Vibratoflattern und Wimmerhebel. Schwer verzerrte Akkorde löst er auf in luftige Arpeggios, verliert sich in frei flottierenden Flimmerigkeiten, lässt Spaghetti-Western-Twang al dente kochen bis es knackig rockt, um dann die Kraft wieder zurückzunehmen für Jesses hauchigen Gesang. Mit einem Epiphone-Jack-Casady-Halbresonanzbass setzt Bill Herzog warme Melodien gegen Stimme und Gitarren, und Eric Eagle klöppelt, wischt oder drischt sein Schlagzeug je nach Erfordernissen der Songs. Eine brillant aufeinander eingeschworene Truppe.

"The Air Is Thin" nach einer kurzweiligen Stunde und als Zugabe noch eine Folk-Ballade mit Guild-D25-Akustikgitarre in Moll: "Doralee" vom ersten Album aus dem Jahr 2002.

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