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Konzertkritik: Seth Lakeman im Privatclub

Seth Lakemans Stimme klingt etwas gequetscht. Dennoch wecken die Songs Erinnerungen an die folkige Seite von Led Zeppelin, auch an ihre rhythmischen Raffinessen.

Um neun ist der kleine "Privatclub" im Keller der Kreuzberger Markthalle gut gefüllt. Die Bühne ist so klein und niedrig, dass man von weiter hinten kaum etwas sieht. Vorne drehen ein paar Typen an den Verstärkern herum, stimmen ihre Instrumente.

"Oh je, das kann ja noch dauern", sagt jemand, "wenn da erst noch ne Vorgruppe kommt!" Aber nein: "Die Vorgruppe war schon!" sagt ein anderer. Und sie war gar nicht schlecht. "The Charcoal Sunset" sind eine junge Berliner Band mit Energie, rohem Ausdruck und einem Sound, der ein wenig an Dylanwirdelektrisch erinnert.

Doch jetzt steht schon die Hauptband des Abends da. Ihre Hemden sind gestreift, geblümt, kariert. Nur Seth Lakeman trägt ein einfaches schwarzes T-Shirt. "Dies ist unser erster Auftritt in Berlin", sagt der drahtige Mann mit kurzgeschnittenen schwarzen Haaren und leichtem Oberlippenflaum. "Wir spielen eine Song-Auswahl meiner fünf Soloalben der letzten sechs Jahre!"

Und schon klemmt er sich die Geige unters Kinn, geigt eine hüpfende keltische Folkmelodie. Verdichtet wird der Klang von der akustischen Gitarre seines Bruders Sean Lakeman, einer Mandoline von Benji Kirkpatrick und Kontrabass von Ben Nicholls. Simon Lee spielt dazu ein Minimalschlagzeug mit Handbetrieb: Cajon, Bassdrum, zwei kleine Becken, doch es knallt mächtig. Exquisite Band.

Lakeman singt "Hearts & Minds" von seinem gleichnamigen neuen Album, eine Abrechnung mit miesen Bankern und skrupellosen Geschäftemachern moderner Zeiten. In alter Folk-Tradition befassen sich Lakemans Songs mit Leben und Leiden der einfachen Leute, mit Geschichten aus seiner Heimat, der englischen Grafschaft Devon im Südwesten Englands.

Seine Stimme klingt etwas gequetscht und erinnert heute im Konzert nicht mehr so sehr an den Ton von Robert Plant wie auf den Studioaufnahmen. Dennoch wecken Songs und Arrangements vage Erinnerungen an die folkige Seite von Led Zeppelin, auch an ihre rhythmischen Raffinessen. Oder auch ein wenig an die legendäre englische Folkrock-Band Fairport Convention und ihren formidablen Fiddler Dave Swarbrick.

Der 33-jährige Lakeman hatte sich schon Anfang der Neunziger mit seinen Brüdern als "The Lakeman Brothers" der Folkmusik verschrieben und damit einem Genre, das eine Zeit lang nur in Kennerkreisen populär war. Jetzt freut er sich über die weltweite Folk-Renaissance. Wie etwa Laura Marling, The Unthanks, Mumford & Sons, Johnny Flynn, profitiert auch Lakeman vom wiedererwachten Interesse eines größeren Publikums an akustischen Instrumenten.

Obwohl die Geige sein Hauptinstrument ist, wechselt er im-mer wieder zu einer viersaitigen akustischen Tenor-Gitarre. Während Benji Kirkpatrick je nach Erfordernissen des jeweiligen Songs Mandoline, Banjo, Bouzouki oder Mund-harmonika spielt.

Die Band ist exzellent aufeinander eingestellt. Ob bei ruhigeren Balladen wie "Changes", wo Lakemann seine Geige wie eine Mandoline hält und pizzikato zupft und Ben Nicholls weiche Melodietöne wie Wattebälle über das Griffbrett seines Kontrabasses schiebt. Oder "The Circle Grows", wo eine Art Jazz-Folk im Arrangement sich vielleicht ein wenig Anregung bei Van Morrisons "Astral Week" geholt hat. Aber dann auch bei den atemberaubenden Tanzliedchen mit puckerndem Gefiedel, wo die exzellente Band mit traumhafter Präzision glänzt und demonstriert, wie auch eine Folkgruppe mit akustischen Instrumenten rocken kann.

Schließlich tanzt der ganze Laden zu ein paar Hoedowns in halsbrecherischem Tempo. Vergnüglich.

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