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Hat es nicht leicht: das Publikum. Hier im Berliner Admiralspalast.

© Soeren Stache dpa/lbn

Glosse von Rüdiger Schaper: Preist das Publikum!

So viele hochdotierte Preise in der Kulturszene, doch eine qualifizierte Gruppe geht immer leer aus: das Publikum. Ein Glosse.

Schauspieler, Regisseure, Stückeschreiber, Komponisten und sogar Kritiker gewinnen Preise. Hier gibt es einen Ring, dort einen Haufen Kohle oder eine Auszeichnung fürs Theaterlebenswerk, die aussieht wie ein Stück Eisenbahnschiene. Junge Musiker können bei Wettbewerben reüssieren, und man weiß von Schriftstellern, die sich aus einem Cocktail von Stipendien, Preisgeldern und dergleichen ernähren. In der Filmindustrie muss die Dotation des Bundes in das nächste Werk gesteckt werden, da freut sich der Produzent. Man könnte die Liste endlos fortsetzen, doch eine hoch qualifizierte Gruppe geht immer leer aus: das Publikum.

Für das Publikum gibt es die „Publikumsbeschimpfung“. Das war das vergiftete Geschenk des – inzwischen hoch dekorierten – Dramatikers Peter Handke an das Theater der sechziger Jahre. Das Publikum hat es nicht leicht. Es wird gequält, ihm wird Zeit gestohlen, es sitzt unbequem auf dem Boden, in schlechter Luft, sieben Stunden auf wackligen Stühlen und bezahlt manchmal viel Geld für schlappe Darbietungen und auch noch den Babysitter. Wie oft kommt das Publikum gar nicht an die ersehnten Karten und bleibt doch – Publikum.

Andere trinken Champagner, das Publikum bekommt Saft

Das ist wirklich einmal eine Nachricht. Das Konzert- und Opernmagazin „Concerti“ hat einen Preis für das „Publikum des Jahres“ ausgelobt. Er soll an ein Publikum verliehen werden, „das besonders neugierig auf ungewöhnliche Programme ist, Wettereskapaden oder Verkehrschaos mit Geduld und Verständnis trotzt, sich auch von Ersatzspielstätten nicht abschrecken lässt, schon einmal eine Vorstellung gerettet hat, sich durch eine besondere Altersmischung auszeichnet, ein eigenes Orchester oder einen Chor bildet, sich ehrenamtlich hinter den Kulissen engagiert“. So weit die Ausschreibung.

Leider kann man sich nicht selbst bewerben. Das müssen die Veranstalter tun. Es ist also im Grunde kein Publikumspreis, sondern ein Veranstalterpreis, mit dem diese sich selbst auf die Schulter klopfen. Und es hapert auch bei der Dotierung. 5000 Euro gibt es, allerdings gebunden an Nachwuchsförderung. Als Hauptgewinn winkt ein „Überraschungsempfang für alle Gäste eines Abends“ mit Fruchtsäften im Wert von 25 000 Euro. Typisch! Anderswo trinken die Preisträger Champagner oder den klassischen trockenen Kulturweißwein, aber das Publikum bekommt Saft serviert. Es bleibt dabei: Das Publikum wird nicht wirklich ernst genommen.

Ohnehin ist der Preis für das Publikum des Jahres schon lange vergeben. Er geht an die Volksbühne und ihre Fans, die treuesten der treuen. Mit Freibier und goldener Bulette. Und Kantinen-Abo auf Lebenszeit.

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