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Kezia Kambazembi (Girley Charlene Jazama) in „Der vermessene Mensch“ von Lars Kraume

© WILLEM VREY

Protest gegen Namibia-Film: Erinnerungskultur made in Germany

Lars Kraumes „Der vermessene Mensch“ wurde als erster deutscher Film über den Genozid in Namibia gefeiert. Schwarze Filmschaffende haben sich jetzt zu Recht beschwert.

Von Andreas Busche

Dass das deutsche Kino eine zutiefst homogene Angelegenheit ist, erkennt man schon daran, welche Geschichten es bevorzugt. Und manchmal auch daran, wie es diese erzählt. Ein Film, der zuletzt von der Kritik gelobt wurde, ist Lars Kraumes „Der vermessene Mensch“. Er handelt vom Genozid in Namibia an den Herero und Nama aus der Sicht eines deutschen Forschers; eine bewusste Entscheidung, weil der Regisseur sich als weißer Deutscher nicht die Perspektive der Opfer aneignen wollte. Dass Perspektive im Kino aber nicht nur eine Frage der Vermittlung ist, sondern eine des Blicks (eine filmtheoretische Binse im Übrigen), hat Kraume dabei übersehen.

Die Herero und Nama sind nur Statisten

Der Tagesspiegel hatte darum zum Kinostart im März mit der namibischen Darstellerin (und Drehbuchberaterin) Girley Charlene Jazama gesprochen, um eine Sichtweise zu thematisieren, die im Film zu kurz kommt: die der Opfer. Das erscheint umso seltsamer, als das Filmplakat Jazama zeigt und nicht etwa den deutschen Darsteller. Doch abgesehen vom Werbematerial bleiben die Herero und Nama in „Der vermessene Mensch“ nur Statisten.

Vergangene Woche kursierte ein Schreiben an das Büro der Kulturstaatsministerin Claudia Roth, an die Berlinale und die Deutsche Filmakademie. Absender war der Schwarze Filmschaffende e.V., der eine Stellungnahme verlangte, warum der Bund mit seinem Bekenntnis gegen Diskriminierung in jeglicher Form einen Film fördert, der rassistische und koloniale Stereotype verbreite, dieser bei einem Internationalen Filmfestival läuft, das ebenfalls mit Steuergeldern finanziert wird, und er der Akademie sogar noch als preiswürdig erscheint.

Das war ein angemessen klarer Tonfall, den man innerhalb der kuscheligen deutschen Branche nicht gewohnt ist. Eben weil diese, trotz zahlreicher Reformankündigungen, immer noch so homogen ist, dass niemandem auffällt, wie problematisch die sogenannte Erinnerungskultur in „Der vermessene Mensch“ eigentlich ist. Ein Film, der künftig, so steht zu befürchten, im Schulunterricht gezeigt wird.

Es ist wichtig, die Empörung der Schwarzen Filmschaffenden ernst zu nehmen. Ihr 15-Punkte-Forderungskatalog hat es jedenfalls in sich, er dürfte die deutsche Filmbranche revolutionieren. Dazu wird es natürlich nicht kommen. Aber er könnte immerhin als Blaupause für ein deutsches Kino dienen, das unseren gesellschaftlichen Realitäten etwas mehr entspricht.

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