Am Ende hat Irina Antonowa, die Direktorin des Moskauer Puschkin-Museums, doch noch einmal die Hardlinerin hervorgekehrt,ihre kategorische Ablehnung einer Beutekunst-Rückgabe bekräftigt. „Die Deutschen werden noch viele Jahre versuchen, die Kunstwerke zurückzubekommen, was aber meiner Meinung nach niemals geschehen wird“, sagte die 84- Jährige der Agentur Interfax in Moskau.
In der lokalen Presse werden die Dinge anders gesehen: Die kritische „Wrenja nowostei“ stochert lustvoll in der Wunde. Russland sei auch im 21. Jahrhundert nicht zu einer vollwertigen Partnerschaft auf kulturellem Gebiet bereit, schreibt das Blatt, um dann Staatsminister Bernd Neumann und das Völkerrecht zu zitieren, das dem Sieger verbietet, Kunstgegenstände als Kriegstrophäen einzubehalten. Dass die Ausstellung überhaupt stattfindet, beweise, dass die von Moskau verfolgte „Politik des Isolationismus ein Fiasko“ erlitten habe. „Die Teilung von Sammlungen und archäologischen Funden ist eine wahre Katastrophe. Zu den Fibeln gehören auch die Knöpfe. Nur das Gesamtkunstwerk ermöglicht eine exakte Rekonstruktion der Geschichte.“
Ganz anders sieht das die staatsfromme „Iswestija“, die sich nicht entblödete, sogar den Titel der Ausstellung wider besseres Wissen so umzubiegen, dass damit primitivste nationalistische Instinkte bedient werden. Aus „Europa ohne Grenzen“ machte Putins Sprachrohr ein „Europa der Waräger“. Das Wort meint eigentlich Skandinavier, die zur Zeit der Merowinger über Teile von Nordwestrussland herrschten, ist im modernen Russisch jedoch Synonym für Fremde schlechthin. Waräger und Tataren macht die Volksseele sogar für die Probleme im gegenwärtigen Russland verantwortlich.
Ihr Fett kriegen dabei auch Historiker und Museumswissenschaftler ab: Deutsche wie Russen. Das Blatt unterstellt ihnen schlichtweg, ihre Vision von einem Europa ohne Grenzen orientiere sich weitgehend unkritisch an der Zeit der Völkerwanderung, als „Hunnenkönig Atilla, der den Beinamen ‚Geißel Gottes’ führte, halb Europa in Blut ersäufte“.
Der ideale Besucher der Ausstellung sei der Bildungsbürger mit ausgeprägtem Interesse für Geschichte und Archäologie, schreibt zutreffend die „Nesawissimaja Gaseta“. Auch gehe die Schau weit über die übliche Kooperation von Museen hinaus und sei „eine politische Geste, die Folgen haben kann“. Deutschland, bescheinigt das sonst eher kritische und mit Lob sparsame Blatt, sei schon bei der Vorbereitung der Ausstellung über sich selbst hinausgewachsen. Die Schau sei „einer der höchst seltenen, wenn nicht gar der bisher einzige Fall, wo ein Land sich dazu durchringt, Schätze seiner Sammlungen zusammen mit denen zu zeigen, auf die es Anspruch erhebt“. Das klingt verdammt nach einem – zumindest moralischen – Zwischensieg in Sachen Restitution.
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