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Kultur: Rambo am Steuer

"Schneller als der TGV!".

"Schneller als der TGV!".Auf Menschen, die sinnlich erfahrbares Reisen schätzen, wirkt so ein Slogan eher abschreckend.Der klapprige Reisebus, der auf dem Busbahnhof von Dakar auf Kundschaft wartet, ist in dieser Hinsicht vertrauenerweckend.Mehr als 50 km/h sind da nicht drin.Verschnörkelt zwischen Früchten, ornamentalem Kleingetier und Blumenranken prangt das "plus vite que TGV", hingepinselt auf orange-weiß-blauen Grund.Fahrtziel: Conakry in Guinea.

Auf der Afrikakarte im Schulatlas sieht das wie ein Damendaumensprung aus, nach afrikanischen Straßenverhältnissen ist es eine gemächliche Mehrtagesreise.Normalerweise jedenfalls, denn im Augenblick, so warnen knapp vor der Abfahrt eintreffende Uniformierte, sei im Bergland auf der Strecke ein Aufstand ausgebrochen.Und die ersten Flüchtlingsgruppen sind auch schon zu sehen.Rambo, der Busfahrer, hat für solche Fälle gleich ein paar Ausweichstrecken in petto - natürlich auf eigene Verantwortung -, schließlich ist der Busdienst sein einziger Erwerb.Von den bisher versammelten Passagieren steigt die Hälfte wieder aus.

Vergessen wir sie.Was übriggebliebt, ist interessant genug, der in solchen Fällen übliche repräsentativ zusammengewürfelte Haufen: ein Schafhirte und ein intellektuell angehauchter Drogenbold.Ein älterer Herr, der seine Nichte als fünfte Nebenfrau in Empfang nehmen will.Zwei Frauen, die eine Opfer ebensolcher Heiratspolitik, die andere, jüngere, von Rambo gleich fachmännisch als Sexobjekt geoutet.Und zwei Priester, einer moslemisch, einer eher animistischen Praktiken zugeneigt, die schon bei der ersten Panne herrlich im Regenmachen konkurrieren dürfen.Bald läuft der Reisegesellschaft auch noch ein flüchtiger Ex-Minister samt Gattin und ein französisches Wissenschaftlerpärchen vor die Reifen.Und das Spiel kann beginnen.

Die Ministersgattin versucht hinter einem provisorischen Wandschirm, Schmink-Kultur zu bewahren.Der Kiffer gerät beim ersten nächtlichen Zwischenstop in altbackene Raufhändel.Über die Schafe gibt es von Angang an Streit.Der Franzose kennt sich mit Karten aus.Und seine insektenempfindliche Frau soll erst als Jungfrauenopfer den erzürnten Geistern dargeboten werden, bevor sie sich mit der Sexbombe und der Verlassenen in einer völkerübergreifenden Frauenfront verbündet.Irgendwann tauchen auch die Rebellen auf, und alle bisherige Fronten brechen durcheinander.Das ist ziemlich komisch und sehr ernst.

Regisseur Moussa Touré, Jahrgang 1958, hat wie viele afrikanische Regisseure eine Zeitlang in Frankreich (unter anderem mit Truffaut, Tavernier und Ousmane Sembène) gearbeitet, bevor er in den Achtzigern seinen ersten eigenen Film drehte.Seine panafrikanische Mischung aus Roadmovie und Reisekammerspiel ist eine Art Generalabrechnung mit dem afrikanischen Status quo: Vom Postkolonialismus über Polygamie und Korruption kommt so etwa alles, was das politische Afrika derzeit bewegt, auf die Leinwand.Manchmal erinnert das, speziell in der Schauspielerführung und den konstruierten Dialogen, ein bißchen an europäisches Kino aus engagierteren Tagen.Das ist ja nichts Schlechtes.Auch die Schnitt-Technik, die vielen Nahaufnahmen, sind für afrikanisches Kino eher ungewöhnlich.So ist es eher die naive Frische der Inszenierung als ihre gelungene Glätte, die diesem Film ihren Reiz verschafft.

Ist es westliche Arroganz, sich gerade daran zu erfreuen? Mag sein.Ganz zum Ende spaziert jedenfalls, rechtzeitig zur Rückfahrt, eine Damentruppe auf, die zu einem Frauenkongreß reisen will.Rambo ist begeistert.

Filmbühne am Steinplatz, fsk (beide OmU) sowie Hackesche Höfe

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