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Rangehen. In „Sunny“ nehmen die Tänzer ungewohnte Stellungen ein.

© Jubal Battisti

Staatsballett-Premiere in der Volksbühne: Regen war gestern

Vom Soulhit zum Technobeat: Mit „Sunny“ von Emanuel Gat gastiert das Staatsballett Berlin erstmals an der Volksbühne.

Von Sandra Luzina

Das Staatsballett Berlin springt gerade im Dreieck. 22 Vorstellungen absolvieren die Tänzer im Dezember – ein Wahnsinnspensum! Sie bespielen nicht nur die drei Opernhäuser, sondern treten nun erstmals auch in der Volksbühne auf. Aber natürlich nicht in Tutu und Spitzenschuhen! Als zweite Premiere in diesem Monat zeigt das Staatsballett „Sunny“ von Emanuel Gat. Der israelische Choreograf, der mittlerweile in Frankreich arbeitet, ist in seinen Methoden avanciert.

„Sunny“ hat er 2016 für seine eigene Compagnie kreiert; nun hat er die Choreografie mit den Tänzern des Staatsballetts neu erarbeitet. Die Berliner hat er aufgefordert, das existierende Material neu zu interpretieren. „Sunny“ ist so auch eine Reflexion über Freiheit und Struktur, auch wenn hier manchmal kaum eine ordnende Hand erkennbar ist.

Die Musik stammt von einem Tänzer und Techno-Produzent

Anfangs betritt eine merkwürdige Kreatur die Bühne, eine Art Schamane mit Wolfsfell und Hasenohren. Aus dem voluminösen Kostüm schlüpft Paul Vickers, nur mit einem Slip bekleidet. Auch die anderen acht Tänzer treten in knappen Trikots und Unterwäsche auf und formieren sich zum Kreis. Die Musik stammt von Awir Leon, der früher in Gats Company tanzte und parallel dazu eine Karriere als Musiker und Produzent in der Technoszene startete.

Zum Auftakt ist eine Coverversion des Soulhits „Sunny“ von 1966 zu hören. Es bilden sich Paare, die Beziehungen sind flüchtig und augenscheinlich kompliziert. Die Körper muten oft sperrig an mit abgewinkelten Beinen oder Armen. Die Tänzer umarmen den Partner und kippen dabei das Becken nach hinten, als sollten alle sexuellen Konnotationen getilgt werden. Und üben sich dann in ungewohnten Stellungen. Rangehen oder rumstehen – beides ist hier zu sehen.

Jeder darf mal ausscheren, der Choreograf lässt Raum für Individualität

Interessanter sind die Gruppenszenen, die auf den ersten Blick chaotisch anmuten. Die unterschiedlichen Aktionen ergeben schon mal eine Kettenreaktion, die in den Raum explodiert. Dann wieder überlappen sich die Bewegungen oder greifen ineinander. Bisweilen lässt das Gewusel an einen vielgliedrigen Organismus denken. Gat gibt den Tänzern Raum für Individualität. Wenn die fünf Männer und vier Frauen eine Reihe bilden, darf jeder kurz ausscheren.

Wie aus den heterogenen Elementen wechselnde Bewegungsmuster organisiert werden, darin liegt der Reiz der Aufführung. Doch vieles mutet zufällig und beliebig an. Die Tänzer behalten den Durchblick bei dem Experiment und verleihen „Sunny“ eine ganz eigene Note. Doch eine rundum positive Stimmung stellt sich bei diesem Abend nicht ein.

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