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Andrea Breth und Simon Rattle 2014 in Berlin bei der Premiere der Oper „Katja Kabanowa“

© Foto: T. Bartilla/Imago

Regisseurin Andrea Breth wird 70: Die Menschenergründerin

Sie war die erste Großtheater-Chefin in Deutschland: Mit ihrem psychologischem Realismus hat Andrea Breth in der Männerdomäne Regie reüssiert.

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Einst gab es eine Zeit, in der Frauen an den Regiepulten von Theatern und Opernhäusern so häufig waren wie Schneelöwinnen in den Savannen von Brandenburg. Das ist kein Märchen aus fernen Tagen, vielmehr nur einen Wimpernschlag der Geschichte entfernt. Bis zu Beginn unseres jetzigen Jahrhunderts erschienen, auch international, die Namen von berühmten Regisseurinnen wie Joan Littlewood, Ariane Mnouchkine oder Ruth Berghaus als Solitäre der internationalen Szene. Ansonsten herrschten die Männer.

Als Erste – nach der aus dem Brecht-Umkreis schon früh mit eigener Genialität vor allem ins Musiktheater ausgebrochenen Ruth Berghaus – ist auf den großen Bühnen zwischen Berlin und Wien, Hamburg und Zürich Andrea Breth hervorgetreten. Und ist damit auch eingebrochen in die Domänen damals noch von Stein und Zadek, Peymann oder Neuenfels. Andrea Breth, die am heutigen Montag ihren 70. Geburtstag feiert, ist als Direktorin der Berliner Schaubühne vor dreißig Jahren, zwischen 1992 und ’97, auch zur Nachnachfolgerin Peter Steins geworden.

Der Durchbruch gelang ihr 1983 in Freiburg

Das hatte eine mehr als nur zufällige Symbolik. Denn die damals erste Großtheater-Chefin in Deutschland war durch Steins inständige Ergründung von dramatischen Texten durchaus inspiriert worden. Andrea Breth eroberte die Bühne nicht als Revolutionärin, eher als bedacht vorangehende Traditionalistin. Mit psychologischen Realismus voll eigener Fantasie und Spurenlese in komplexen Stücken, mit feinem Sinn für Spielerinnen und Spieler.

Entdeckt hat sie nach ihrem Literaturstudium in den 1970er Jahren der Talentefischer Peter Stoltzenberg, der die werdende Regisseurin als Intendant in Heidelberg und Bremen gefördert hat. Von Anbeginn war Andrea Breth dabei skrupulös, zweifelnd, manchmal auch verzweifelnd. Ihr großer Durchbruch geschah 1983 mit der Inszenierung von Garcia Lorcas Frauentragödie „Bernarda Albas Haus“ im badischen Freiburg. Die frei von Effekten, ganz von untergründiger Spannung getragene Aufführung wurde zum Berliner Theatertreffen geholt, wo Breth später noch etliche Male zu Gast war.

Bald folgten Engagements im starken Schauspiel Bochum, mit einer melancholisch insistenten Entdeckung des in Deutschland bis dahin kaum gespielten Franzosen Julien Green („Süden“) oder, sehr überraschend, Andrea Breths Erstaufführung von „Schöne Bescherungen“: eine katastrophische Weihnachtskomödie des bis dahin nur als Boulevardier gehandelten Engländers Alan Ayckbourn.

Die größten Erfolge kamen ab den 90ern in Berlin und Wien. An der Schaubühne gab es ihre zwischen elektrisierender Menschenergründung und bisweilen auch etwas ästhetisiertem Tiefsinn sich bewegenden Tschechow- und Ibsen-Inszenierungen oder die grandiose Entdeckung des Russen Alexander Wampilow mit dem „Letzten Sommer in Tschulimsk“, getragen von Spielern wie Ulrich Matthes, Corinna Kirchhoff, Thomas Thieme, Wolfgang Michael, Karoline Eichhorn.

Als vielfach preisgekrönte Hausregisseurin am Wiener Burgtheater (bis 2019) hat Andrea Breth auch offen über die eigenen Anfechtungen durch eine (überwundene) manische Depression gesprochen. Wenn es ihr aber gut ging in und mit dem Theater, war sie sehr gut. So hat sie in ihrem Wiener „Don Karlos“ 2004, ohne ein Schiller-Wort zu ändern, den modernen Überwachungsstaat inszeniert.

2006 erhielt sie auch den Berliner Theaterpreis, seitdem wirkt sie freilich mehr im Musiktheater präsent. So 2019 mit Cherubinis „Medée“ an der Berliner Lindenoper oder in diesem Sommer mit Strauss‘ „Salome“ in Aix-en-Provence. Lauter Tragödien, doch Festspiele. Einer Theaterkönigin.

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