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lestyn Davies als Solomon und Joélle Harvey als seine Gemahlin in der Philharmonie

© Peter Adamik

Robin Ticciati dirigiert Händels „Solomon“: Diese Last mit der Pracht

Robin Ticciati bringt Georg Friedrich Händels Oratorium „Solomon“ in der Berliner Philharmonie auf die Bühne. Mit dabei: das Deutsche Symphonie-Orchester und der Rundfunkchor Berlin.

Händel frohlockte. Der Musikunternehmer hatte in alle Abgründe seines Gewerbes geblickt, aber die Londoner Saison 1748 versprach Ruhm und Profit. Bei der Komposition seines Oratoriums „Solomon“ schöpfte er aus dem Vollen: Ein geteilter Chor und ein üppiges Orchester mit Extrabläsern und Streicherverstärkung kamen ihm gerade recht, um das Bild eines Herrschers zu entwerfen, der gottgefällig, sagenhaft gerecht und den Künsten zugewandt war. Der biblische König Salomo diente Händel auch dazu, allerhand Ehrerbietung in Richtung des englischen Monarchen George II. zu senden, der wie der Komponist als Deutscher geboren wurde.

Nach dem „Messiah“ 2018 beschert Robin Ticciati seinem Deutschen Symphonie-Orchester wieder eine Händel-Lektion in der Philharmonie. Dabei versucht er, seine wandlungswilligen Musiker:innen zu einem Barockensemble zu formen, das ohne Widerstreben Cembalo, Truhenorgel, Laute und Theorbe zu integrieren vermag.

Das funktioniert beinahe zu gut. Konzertmeisterin Marina Grauman führt eine agile, homogen spielende Streichergruppe an, Ticciati mischt in lockerem Tempo alle Stimmen gekonnt ab, ohne die Musik allzu sehr in die Breite gehen zu lassen. Doch Prachtentfaltung über drei Stunden hinweg braucht einen zupackenden Sinn für Dramaturgie, für den unbändigen Theatergeist Händels, der zwischendurch seine Zuhörer, nie aber sich selbst einlullt.

Wie beim „Messiah“ soll wieder szenisch musiziert werden

Wie beim „Messiah“ ist auch „Solomon“ als inszenierter Abend angekündigt. 2018 thematisierte der britische Regisseur Frederic Wake-Walker Rassismus. Doch während man sich an seinen Arrangements noch reiben konnte, reibt man sich nun nur kurz die Augen: War da was? Stoffbahnen werden von den Solist:innen unbeholfen ausbreitet, doch nichts bahnt sich auf ihnen an. Ist das Aneinander-vorbei-Gegucke ein Kunstgriff der als Regisseurin geführten Andrea Tortosa Baquero oder bloße Sängerattitüde?

Iestyn Davies als Salomo jedenfalls mimt auch im größten Jubel eine blasierte Distanz, während sein biegsamer Countertenor mit den Oboen wetteifert. Unmittelbar bewegend gestaltet die Sopranistin Joélle Harvey ihre Rollen als Gemahlin und um ihr Kind fürchtende Frau beim salomonischen Urteil.

Die eingesprungene Robin Johannsen stellt sich ihr mit schneidender Unmenschlichkeit entgegen und besingt als Königin von Saba mit leichter Irritation die Reichtümer ihres Gastgebers. Der von Benjamin Goodson einstudierte Rundfunkchor Berlin, gerade erst mit Ligeti bei der Philharmoniker-Biennale zu erleben, ist eine Wonne und eine Wucht, wäre aber auch für wildere Händel-Abenteuer zu haben gewesen.

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