
© Ake Dikhea-Festival
Roma-Filmfestival in Berlin: Unser Leben als Musical
Die achte Ausgabe des Festivals Ake Dikhea? zeigt das vielfältige Filmschaffen von Roma aus ganz Europa. Ein Blick ins Programm.
Stand:
Geht es in ungarischen Filmen um Roma, erwartet ein westeuropäisches Publikum höchstwahrscheinlich Gewalt und Drama. Dazu haben etwa Bence Fliegaufs „Just the Wind“ (2012) beigetragen oder auch „Genesis“ (2018) von Árpád Bogdán, die reale Anschläge auf Romasiedlungen in beeindruckenden Spielfilmen verarbeiteten und beide auf der Berlinale Premiere feierten.
Ein recht überraschendes Gegenbild zeichnet hingegen Kata Oláh in der Dokumentation „Narrow Path to Happiness“, die von einem schwulen Roma-Paar handelt, und am Montag die achte Ausgabe des Berliner Romafilmfestivals Ake Dikhea? eröffnet.
Natürlich haben es die beiden nicht leicht, zumal sie doppelt marginalisiert sind und wegen der Anfeindungen in der eigenen Community aus ihrem Dorf nach Budapest gezogen waren. Der Film blendet das nicht aus, doch er stellt vor allem den großen Traum von Lénárd und Grego ins Zentrum: Sie möchten ein Musical mit selbstgeschriebenen Liedern über ihr Leben produzieren – das erste queere Roma-Musical überhaupt.
Die Kamera folgt ihnen zu Treffen mit einer jungen Drehbuchautorin, zeigt, wie Grego einen Song probt und zusammen mit Lénárd in einem Videoclip dazu auftritt. Außerdem ist sie im Alltag der beiden dabei, in dem Grego auf dem Bau schuftet und sein Partner einen Job sucht.
Mögen sie in Sachen Musical oft naiv agieren, zeigt sich im Umgang mit ihren Familien ein hohes Maß an Resilienz und Selbstbewusstsein, wenn es um ihr Schwulsein geht. Wie Grego das „Du hast Angst vor Frauen“-Gerede seines Vaters abschmettert, ist entwaffnet. Und als in einer Szene alle miteinander tanzen, wird der hohe Stellenwert der Familie deutlich, mit der die jungen Männer trotz allem nicht brechen.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.
Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.
Eine höchst ungewöhnliche Patchwork-Familie hat sich der australisch-mazedonische Regisseur und Drehbuchautor Goran Stolevski für seinen dritten Spielfilm „Housekeeping for Beginners“ ausgedacht: In einer Wohnung in Skopje lebt die weiße Dita mit ihrer Roma-Partnerin Suada und deren zwei Töchtern. Außerdem ist da noch der Schwule Toni und sein neuer Lover, ebenfalls ein gemischtes Paar, sowie einige weitere Personen.
Als Suada unheilbar an Krebs erkrankt, ringt sie Dita das Versprechen ab, sich um ihre Kinder zu kümmern. Wie Stolevski von dieser chaotisch-dramatischen Mission erzählt, ohne sie in ein klischeehaftes White-Saviour-Märchen zu verwandeln, gehört zu den Höhepunkten des Ake Dikhea?-Festivals.

© riseanshinecinema
Bis zum 27. Oktober laufen dort 23 Kurz- und Langfilme aus über 15 Ländern. Aus Spanien kommt die Dokumentation „La Singla“ von Paloma Zapata, die die Suche der Regisseurin nach einer auf dem Höhepunkt ihrer Karriere plötzlich verschwundenen Flamencotänzerin zeigt.
Antoñita Singla, geboren 1948 in einer Romafamilie aus Barcelona, verliert als Kind ihr Gehör, wird aber dennoch zu einer gefeierten Tänzerin. Sie tritt im Ausland auf, wird von den Medien umschwärmt, spielt in Filmen mit. Ihr umwerfendes Talent kommt in den vielen Archivaufnahmen zur Geltung, die den Film tragen. Spannung erhält er durch die Frage, was nach ihrem Verschwinden in den Sechzigern geschah.
Zwischen Dokumentation und Spielfilm ist „Lala“ von Ludovica Fales angesiedelt. Die italienische Filmemacherin entwickelte zunächst ein Drehbuch, das auf der Geschichte einer jungen, in Rom geborenen Romni basierte, die aufgrund von staatlicher Diskriminierung als Illegale lebte und ihre Heimatstadt schließlich überstürzt verlassen musste. Bei der Umsetzung des Skrips mit jungen Laienschauspieler*innen, ebenfalls Mitglieder von Europas größter ethnischer Minderheit, begannen diese den Text zu verändern und eigene Geschichten hinzufügen. So entstand eine zweite, ebenso wertvolle wie wahrhaftige Ebene von „Lala“.
Über diesen Prozess kann nach der Vorstellung (22.10., 19 Uhr) im Babylon Mitte mit Ludovica Fales und Schauspielerin Ivana Nikolić diskutiert werden. Auch zu den anderen Festival-Filmen gibt es anschließende Gesprächsrunden.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: