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Romy Schneiders Film "Die Hölle" (1964) blieb ein Fragment.

© Illustration: Nicolas Mahler/btb

Romy Schneiders Filme: Manchmal zeigt die Katze ihre Krallen

Von "Sissi" wollte sie später nichts mehr wissen: Der Comic-Künstler Nicolas Mahler widmet Romy Schneiders Filmen eine liebevolle Hommage.

Soll das etwa „unsere“ Romy sein? Grell geschminkt, mit tiefen Schatten unter den Augen zeichnet sie der österreichische Comickünstler Nicolas Mahler. Darüber der Schriftzug „Nachtblende“, angelehnt an die Plakatschrift des gleichnamigen Films von Andrzej Zulawski aus dem Jahr 1975. Nein, Mahler schont uns nicht. Sein Buch „Romy Schneider – Alle Filme, neu angeschaut“ ist eine illustrierte Filmografie, die alle 58 Filme der Schauspielerin würdigt. In ihrem zu kurzen Leben war sie geradezu süchtig danach zu drehen. Regisseur Claude Sautet wird von Mahler zitiert: „Ich fürchte, sie arbeitet so viel, weil sie Angst hat, alleine zu sein.“

Nicolas Mahler ist bekannt für seinen erbarmungslosen Blick. Den Schriftsteller Thomas Bernhard zeigte er in einer „unkorrekten Biografie“ als Sonderling und notorischen Provokateur. Und nun, wiederum prägnant auf den Punkt gebracht, das Werk von Romy Schneider.

In Deutschland beruhte die Beliebtheit des vor vierzig Jahren gestorbenen Stars lange Zeit auf ihren drei „Sissi“-Filmen, die sie im Backfisch-Alter gedreht hatte. Ihre Mutter Magda Schneider, die bei Mahler nicht gut wegkommt, sagte: „Sie ist ein nettes Kätzchen, das gelegentlich seine Krallen zeigt, aber dann kriegt sie am besten gleich a Watschn.“

Alain Delon wird zum Wiener

Der Zeichner stellt jeden Film auf einer Doppelseite vor, fasst den Inhalt pointiert zusammen. Beispielsweise so bei Orson Welles’ „Der Prozess“, in dem Schneider 1962 eine männerverschlingende Pflegerin verkörpert: „Als Franz Kafkas Josef K. aus unruhigen Träumen erwacht, findet er sich in Anthony Perkins (,Psycho’) verwandelt.

Auch alle ihn umgebenden Personen haben die Gestalt von Stars angenommen.“ Ko-Stars wie Jack Lemmon, Peter Sellers oder Curd Jürgens werden von Mahler treffend karikiert, über ihren Verlobten Alain Delon bemerkt er anlässlich ihres ersten gemeinsamen Films „Christine“ (1958): „Einziger Film, in dem der spätere eiskalte Engel Delon Wienerisch spricht (synchronisiert von dem Tiroler Dietmar Schönherr).“

„Ludwig II.“ (1973) drehte Romy Schneider mit Luchino Visconti.
„Ludwig II.“ (1973) drehte Romy Schneider mit Luchino Visconti.

© Illustration: Nicolas Mahler/btb

Als 1969 die Beziehung beendet ist, beide aber zusammen den Thriller „Der Swimmingpool“ drehen, scherzt Schneider: „Dauernd Pool rein – Pool raus – was für’n Beruf!“ Mahler zeichnet sie in ermatteter Pose im Badeanzug und mit nassen Haaren. Daneben setzt er eine fiese Karikatur der jungen Jane Birkin mit Brille und vorstehenden Zähnen, die im Film eine Lolita-Rolle bekommen hatte.

In den 60ern und 70ern drehte Schneider auch manch vermurksten Zeitgeistfilm wie „Bloomfield“, in dem sie neben Richard Harris als alterndem Fußballer eine aufstrebende Bildhauerin gibt. Mahlers Verdikt: „Als moderne Künstlerin eindeutig im falschen Film“.

Auch zu ihren großen Filmen wie „Die Dinge des Lebens“ (1970) von Claude Sautet liefert der Zeichner Fun Facts. Da raucht Michel Piccoli während des Films exakt 26 Zigaretten und hat einen ebenfalls kettenrauchenden Filmsohn. Als „Ko-Star“ fungiert ein in zahllosen Zeitlupenaufnahmen herumwirbelnder Alfa Romeo Giulietta Sprint.

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Bei der Besetzung war Schneider nicht die erste Wahl gewesen. Erst nachdem Marlène Jobert, Catherine Deneuve und Annie Girardot abgelehnt hatten, bekam sie die Rolle. Sautet wurde Schneiders Lieblingsregisseur, mit ihm drehte sie weitere vier Filme.

Anders als in Deutschland fand Romy Schneider in Frankreich nicht nur Ruhm, sondern auch Anerkennung. Dort nahmen Regisseure sie als Schauspielerin ernst und boten ihr vielfältige Rollen an. In „Das Mädchen und der Kommissar“ (Sautet, 1971) spielt sie eine Prostituierte als Lockvogel eines „zwänglerischen“ Cops (Michel Piccoli), der einen Haufen von „Loser-Ganoven“ auf frischer Tat schnappen will.

Romy Schneider in "Die Dinge des Lebens" (1970) von Claude Sautet.
Romy Schneider in "Die Dinge des Lebens" (1970) von Claude Sautet.

© Illustration: Nicolas Mahler/btb

Als „Spoiler“ verrät Mahler, dass der Dümmste der Truppe als begeisterter Comicleser gezeigt und (folgerichtig?) als Einziger erschossen wird. Der ebenfalls von Sautet inszenierte Film „César und Rosalie“ (1972) ist laut Mahler das einzige Werk der Filmgeschichte, in dem aus Eifersucht ein Comiczeichneratelier verwüstet wird.

[Nicolas Mahler: Romy Schneider - Alle Filme neu angeschaut und gezeichnet. btb, Berlin 2022. 128 Seiten, 12 €]

Luchino Viscontis „Ludwig II.“-Verfilmung bietet Schneider die Gelegenheit, die von ihr gehasste Sissi-Rolle („Sissi pappt an mir wie Grießbrei“) zu konterkarieren. Ihr Kommentar: „Visconti hat als Einziger die Sissi historisch authentisch porträtiert.“ Ein genialisch frisiertes Porträt des Exzentrikers Helmut Berger (genauso wie Schneider ein „Ösi“) als Ludwig kann Mahler sich nicht verkneifen.

Mahlers so liebevolle wie giftige Interpretation von Schneiders Filmografie steckt voller absurd-lustiger Details, die Fakten hat er Biografien und den Büchern von Wegbegleitern wie Karlheinz Böhm entnommen. Mahlers mit kräftigen Pinselstrichen gesetzte Zeichnungen folgen Schneiders Lebensweg vom feschen Mädel mit hoher Stirn über die Kaiserin mit Turmfrisur bis hin zu den von Krankheiten und Schicksalsschlägen gebeutelten letzten Jahren. Keine Romy-Feier, aber eine echte Hommage.

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