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Mit neun Nominierungen ebenfalls hoch gehandelt: "Birdman" mit Michael Keaton (als Riggan Thomson) und Amy Ryan (als Sylvia).

© 20th Century Fox

Oscar-Nominierungen 2015: Schauspielerkino und Historienfilme: Die Oscar-Favoriten 2015

Die aussichtsreichsten Kandidaten für den Oscar als "Bester Film" sind "Birdman", "The Grand Budapest Hotel" und "The Imitation Game". Auch Golden Globe-Gewinner "Boyhood" ist noch im Rennen.

Letztes Jahr war’s politisch (mit dem Oscar-Sieger „12 Years a Slave“ und Scorseses scharfer Kapitalismus-Abrechnung „Wolf of Wall Street“), dieses Jahr wird’s persönlich, wenn auch nicht unpolitisch. Je neun Oscar-Nominierungen für die Broadway-Komödie „Birdman“ und für Wes Andersons Groteskkrimi „The Grand Budapest Hotel“, das sind die Favoriten, dicht gefolgt vom Biopic „The Imitation Game“ (acht Nominierungen) über den britischen Mathematiker Alan Turing, der mit der Entschlüsselung der Nazi-Kriegsfunksprüche zum Pionier des Computerzeitalters wurde. Aber auch Richard Linklaters frisch gekürter Globe-Sieger „Boyhood“ hat mit sechs Nominierungen gute Chancen, ist die über zwölf Jahre gedrehte Langzeitbeobachtung doch in den wichtigen Kategorien „Bester Film“, Regie, Drehbuch, Schnitt und bei den Darstellern vertreten.

So viel steht bereits fest: 2015 wird ein Oscar-Jahr der Schauspieler. Michael (Batman) Keaton ist bei seiner virtuosen, entwaffnenden Rolle als abgehalfterter Superhelden-Star „Birdman“ von einem famosen Ensemble umgeben, das sich bei den Proben hinter den Kulissen einer Broadwaybühne wahre Kriege um die Schauspielkunst liefert, um Wahrhaftigkeit und Publikumswirkung, Authentizität und Ruhm. Die Nebendarsteller Edward Norton und Emma Stone können ebenso auf einen Oscar hoffen wie Patricia Arquette und Ethan Hawke für „Boyhood“. Auch in Linklaters Familiendrama denkt das Kino über sich selbst nach, schaut sich und seinen Protagonisten beim Älterwerden zu.

Benedict Cumberbatch als skurriler Kryptologe

Und Michael Keaton hat starke Konkurrenz. Benedict Cumberbatch als skurriler, kommunikationsgestörter Kryptologe im „Imitation Game“, Globe-Gewinner Eddie Redmayne als ALS-kranker Stephen Hawking in „Die Entdeckung der Unendlichkeit“, dazu Steve Carell im Wrestlingfilm „Foxcatcher“ und Bradley Cooper in Clint Eastwoods „American Sniper“: Sie alle treten nicht mit glamourösen Rollen an, sondern als Charakterdarsteller.

Acht mal nominiert wurde "The Imitation Game", die Geschichte um einen brillanten Mathematiker, der im Zweiten Weltkrieg die Kommunikation der Deutschen decodiert.
Acht mal nominiert wurde "The Imitation Game", die Geschichte um einen brillanten Mathematiker, der im Zweiten Weltkrieg die Kommunikation der Deutschen decodiert.

© Jack English/SquareOne Entertainment

Bei den Frauen geht mit Marion Cotillard in „Zwei Tage, eine Nacht“ auch eine Europäerin ins Rennen. Mal sehen, ob sie Globe-Gewinnerin Julianne Moore oder Reese Witherspoon im Selbstfindungstrip „Wild“ ausstechen kann. Auch der mit „Die Entdeckung der Unendlichkeit“ und „Foxcatcher“ gleichauf liegende „Whiplash“ (fünf Nominierungen) lebt von der Ensembleleistung. Es geht um den Kampf eines jungen Jazz-Schlagzeugers gegen seinen Bigband-Dirigenten (J.K. Simmons, nominiert als Nebendarsteller).

Selbstreflexion und bestes Schauspielerkino, nicht das Schlechteste für eine Oscar-Saison. Zumal es auf den zweiten Blick sehr wohl politisch zugeht. Der in New York lebende Mexikaner Alejandro González Inárritu („Babel“) wirft in „Birdman“ einen gnadenlosen Blick auf die Lügen und Selbsttäuschungen der amerikanischen Unterhaltungsindustrie. Wes Anderson inszeniert in der schrillen Zwischenkriegskomödie „The Grand Budapest Hotel“ den Eskapismus, die Hysterien und erste Gewaltexzesse am Vorabend des Faschismus. „Boyhood“ zeigt die zermürbende Seite des American Way of Life und die Tapferkeit einer ständig vom sozialen Abstieg bedrohten alleinerziehenden Mutter. Ansonsten blickt Hollywood zurück, lässt in Historien- und Kostümfilmen vergangene Welten wiederaufleben, Kriegszeiten und andere Überlebenskämpfe. Die Vergegenwärtigung der Vergangenheit, auch das eine Stärke des guten alten Kintopps in digitalen Zeiten, neben der Schauspielkunst.

Wim Wenders für Dokumentarfilm nominiert

Deutschland hat ebenfalls Chancen: Wim Wenders’ Dokumentarfilm „Das Salz der Erde“ über den brasilianischen Fotografen Sebastião Salgado ist ebenso nominiert wie – zum zehnten Mal! – der Komponist Hans Zimmer für Christopher Nolans Science-Fiction „Interstellar“. Bei den Anwärtern für den besten nicht-englischsprachigen Film ist Osteuropa besonders häufig vertreten, unter anderem mit dem polnischen Schwarzweiß-Drama „Ida“, das bereits mit dem Europäischen Filmpreis ausgezeichnet wurde, und mit der bildgewaltigen russischen Korruptions-Allegorie „Leviathan“.

Wer bis zur Gala am 22. Februar fachkundige Oscar-Wetten abschließen will, kann etliche der bislang noch nicht gestarteten Kandidaten in der Hauptdisziplin „Bester Film“ hierzulande demnächst in Augenschein nehmen. „The Imitation Game“ läuft nächste Woche an, ebenso „Boyhood“, der nach dem Start letzten Sommer einen zweiten Anlauf nimmt – eine bislang vor allem in den USA übliche Praxis. „Birdman“ startet am 29. Januar, „Whiplash am 19. Februar. Nur Clint Eastwoods doppelt nominierter „American Sniper“ kommt ein paar Tage zu spät, am 26. Februar.

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