Kultur: Scheich dich!
Ein wüster
Stand:
von Frederik Hanssen
Er hat sich als politisch Verfolgter stilisiert und war doch nur ein Wirtschaftsflüchtling. Michael Schindhelms Erklärung, er werde seinen Job als Generaldirektor der Berliner Opernstiftung vorzeitig abgeben, weil er wiederholt und öffentlich vom Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit kritisiert worden war, wirkte schon im vergangenen November fadenscheinig. Schließlich ist Schindhelm einer, der erfolgreich in der Provinz Theater gemacht hat, der dann zehn Jahre als Intendant in Basel gegen alle wohlstandsbürgerlichen Widerstände avantgardistische Programme durchsetzte, der mehrfach inquisitionshafte Befragungen aushielt, weil er während seiner Studienzeit in Russland kurzzeitig unters Joch der Stasi gezwungen worden war. Nein, so einer ist kein Glaskinn. Vergangene Woche kam Schindhelms wahrer Beweggrund ans Licht: Er wird in Dubai ein Opernhaus aufbauen. In der aktuellen Ausgabe von „Vanity Fair“ ist er schon an seinem neuen Arbeitsplatz zu sehen, in voller Managermontur steht er barfuß am Strand, im Hintergrund erhebt sich das Luxushotel „Burj al Arab“. Er sei einfach nicht im richtigen Alter für Berlin gewesen, schreibt der 46-Jährige in der Zeitschrift: weder 30 und cool noch 60 und abgezockt. Erstaunlich ist nur, dass fast alle, die in der Berliner Kulturszene etwas bewegen, aus Schindhelms Generation stammen.
Was, fragt man sich, treibt den Mann dazu, so rumzueiern, warum ist er nicht erhobenen Hauptes aus Berlin weggegangen, nachdem ihm goldene Stimmen „Scheich dich!“ zugerufen hatten? In der deutschen Hauptstadt durfte er nur den Mangel verwalten, in Dubai kann er mit viel Geld im Rücken neue Strukturen schaffen. Hätte er mit offenem Visier gekämpft, wäre die Reaktion gewesen: Die Arabischen Emirate werben uns die besten Leute ab! So aber geht Schindhelm in die städtischen Annalen ein als feiger Rufer in der Wüste und, um es mehr englisch als französisch zu sagen, als Deserteur.
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