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Berggipfel im Nebel

© imago/Blickwinkel

Roman "Am Rand": Scheitern macht einsam

Ein Mann steht auf einem Gipfel und legt Zeugnis ab über all die Katastrophen seines Lebens: Hans Platzgumers beklemmender Roman „Am Rand“.

Der Mann, der da in der Morgendämmerung auf einen Gipfel gestiegen ist, um nicht mehr herunterzukommen, hat zwei Menschen getötet. Aber ist er ein Mörder? Oder ein Mensch, der in seinem Verantwortungsbewusstsein Prioritäten gesetzt hat, die von der juristischen Norm abweichen? Gerold Ebner heißt er, ist Anfang 40 und legt Zeugnis ab über sein Leben.

Der Tonfall ist das Entscheidende in Hans Platzgumers beklemmendem Roman. Denn Ebner, der sich in der Technik japanischer Kampfsportarten und der damit verbundenen Beherrschung ausgebildet hat, erzählt zum einen die Katastrophen seines Lebens und die anderer Leben so, als gingen sie ihn nichts an.

Das erschütternde Protokoll eines umfassendes Scheiterns

Andererseits verfügt er über ein hohes Maß an Plastizität und Eindringlichkeit. Ebner wächst in Westösterreich als Sohn einer Mutter aus Südtirol auf. Er ist im Wortsinn ein Hurensohn; seinen Vater hat er nie kennengelernt. So leben sie in einer noch von den Nazis erbauten Siedlung, deren Straßennamen als Echo des italienisch-deutsch-österreichischen Südtirol-Komplexes in die Jetztzeit hallen: Meraner Straße, Bozener Straße. Es ist eine fade Existenz. Gerold versucht sich als Schriftsteller und endet als Hilfsarbeiter; eines Tages steht der Vater der Mutter vor der Tür, und bei aller Dezenz des Erzählens wird sofort deutlich, dass auch diese Beziehung eine ungute ist. Wer oder was immer Gerold begegnet, Freundschaften, Verwandte, Beziehungen zu Frauen – es nimmt kein gutes Ende.

Trotz all der Katastrophen, die Platzgumer aneinanderreiht, ist „Am Rand“ kein effekthascherisches Buch, im Gegenteil: Die äußere Unbewegtheit, mit der all das ertragen wird, macht das Erlebte noch unheimlicher. Gerold Ebner also schreibt da oben auf dem Berg sein drittes und letztes Buch. Es ist das in aller Beiläufigkeit präsentierte, aber deshalb umso erschütterndere Protokoll eines umfassenden Scheiterns.

Hans Platzgumer: Am Rand. Roman. Zsolnay Verlag, Wien 2016. 208 Seiten, 19,90 €.

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