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Seekrieg. Das Gemälde der „Schlacht von Lepanto“ hängt im National Maritime Museum im britischen Greenwich, der Künstler ist unbekannt.

© Wikipedia

„Schlacht bei Lepanto“ von Felix Hartlaub: Don Juan und die Türken

Felix Hartlaub starb im Zweiten Weltkrieg. Sein Werk wird neu aufgelegt. Jetzt ist die „Schlacht bei Lepanto“ erschienen, eine historische Studie von fast literarischer Qualität.

„Kein Schüler in Berlin oder Wien“, mutmaßt Wolfgang Schwiedrzik, einst Mitgründer der Berliner Schaubühne und inzwischen Verleger der Edition Mnemosyne, „wüsste heute etwas auf die Frage zu antworten, wann und gegen wen die Schlacht von Lepanto geschlagen wurde und welcher Oberbefehlshaber sich dort unsterbliche Verdienste erworben hat.“ Der Vergessene ist Don Juan d’Austria, der Bruder König Philipps des Zweiten von Spanien, der 1571 im Bündnis mit Venedig und dem Papst einen historischen Sieg über die türkische Flotte errang.

In ihrer Bedeutung für das christliche Europa ist die Seeschlacht in der Bucht von Patras nur vergleichbar mit der Niederlage des türkischen Heers bei der Belagerung Wiens 1683. Über die Schlacht bei Lepanto und ihren Sieger gab es auf Deutsch lange nur eine Studie aus dem Jahr 1902. Bis Walter Elze, Militärhistoriker aus dem Kreis um den Dichter Stefan George, 1936 einen jungen Historiker auf das Thema ansetzte. Man kennt diesen als Schriftsteller, dessen Werk bei Suhrkamp wiederentdeckt und von Durs Grünbein empfohlen wurde: der 1913 in Bremen geborene Felix Hartlaub, der in den Berliner Kriegswirren im Mai 1945 auf bis heute ungeklärte Weise ums Leben kam.

Hartlaub ist für seine Aufzeichnungen aus dem Führerhauptquartier bekannt

Vor drei Jahren erschienen die Aufzeichnungen des Studenten Hartlaub, „Aus Hitlers Berlin – 1934 bis 1938“, ein Jahr zuvor seine „Italienische Reise“. Dass er auch Militärhistoriker war, ist vor allem durch seine Aufzeichnungen aus dem Führerhauptquartier („Von unten gesehen“ und „Im Sperrkreis“) bekannt, wo er, so Grünbein, „unter der Tarnkappe“ für das Oberkommando der Wehrmacht an einem Kriegstagebuch mitwirkte. Auf den Abdruck der ihm zurechenbaren Passagen hat Suhrkamp ebenso verzichtet wie auf den Neudruck der 1940 veröffentlichten Lepanto-Dissertation, den nun die Edition Mnemosyne übernommen hat.

Nach Ansicht des Historikers Wolfram Pyta handelt es sich „nur an der Oberfläche um eine militärhistorische Arbeit im engeren Sinne“, während Mitherausgeber Wolfgang Schwiedrzik von einer glänzenden Arbeit spricht. Fest steht, dass der Doktorand Hartlaub bei der Niederschrift keineswegs bereits ein versierter Militärhistoriker war. Dazu avancierte er erst mit dem Kriegstagebuch, das er mit Percy Ernst Schramm verfasste. In Briefen nannte er die wissenschaftliche Arbeit langweilig. Ihm hing, so zitiert ihn Pyta, die „Arbeit, die ganze Uni schrecklich zum Halse heraus“. Einem Freund vertraute er an, sein Dissertationsvorhaben sei mehr als Vorentwurf eines Romans zu betrachten.

Früher Vorläufer einer modernen Kulturgeschichte

Damit hätte er als Historiker selbst bei einem George-Schüler wie Elze keine Gnade gefunden. Hartlaubs mit Quellen und Zitaten sparsame Darstellung verbindet die historischen Fakten in der Tat geschickt mit einer dramatischen Darstellung samt psychologischer Einfühlung in das Handeln seines Helden Don Juan d’Austria. Elze bewertete Arbeit und Rigorosum als „sehr gut“, eine der wenigen Rezensionen (in der Basler „Historischen Zeitschrift“) würdigte Hartlaubs „meisterhafte Beherrschung auch der ferneren Hintergründe in Geistes- und Literaturgeschichte“. Der Kritiker fügte den Wunsch hinzu, „dieselbe Hand“ möge das Bild des ganzen Lebens Don Juans entwerfen. Tatsächlich trug der Verlag Karl Alber – der nach 1945 Eugen Kogons „SS-Staat“ herausbrachte – Hartlaub eine solche Biografie an. Ob er nach dem Krieg darauf zurückgekommen wäre?

Die literarische Qualität der Dissertation hätte deren Aufnahme in die Suhrkamp-Edition seiner Schriften allemal verdient. Wolfram Pyta nennt Felix Hartlaub jedenfalls einen frühen Exponenten „einer heute modern wirkenden Kulturgeschichte“, die historische Akteure ins Zentrum rückt und in farbiger Darstellung ausleuchtet. Das scheint auch Fernand Braudel, den Altmeister der französischen Historiografie, zur Würdigung von Hartlaubs Arbeit bewogen zu haben – was Pyta wiederum als Ritterschlag für den jungen Militärhistoriker wertet.

In seinem Vorwort versucht Wolfgang Schwiedrzik, die Aktualität der Neuausgabe politisch aufzuladen. Etwa mit der Überlegung, auch heute drohe der militante Vorstoß des Islam nach Europa und der „Aufbau fünfter Kolonnen durch die Regimes in Saudi-Arabien, der Türkei und anderen Ländern“. Fragwürdige Parallelen, die die Seeschlacht von Lepanto den Schülern in Berlin oder Wien wohl kaum näherbringen.

Felix Hartlaub: Don Juan d’Austria und die Schlacht bei Lepanto. Edition Mnemosyne, Neckargmünd und Wien 2017. 294 Seiten, 24 €.

Hannes Schwenger

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