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Filmkritik: Schön viel Gegenverkehr

Springen, Schlagen, Schießen: Mit "Knight and Day" kehrt Tom Cruise zum Actionfilm zurück.

Früher, in den Zeiten gusseiserner Rüstungen und noch nicht motorisierter Pferdestärken, musste ein Ritter seinen Konkurrenten einfach bei einem Turnier mittels Lanze aus dem Sattel stoßen, um die Gunst des Burgfräuleins zu erlangen. Heute wird das Fräulein gleich von einem knappen Dutzend Schurken entführt, um sie in einer Eskorte gepanzerter SUV-Limousinen an einen „sicheren Ort“ zu bringen, wo ihr das Allerschlimmste droht. Der Held – er trägt nicht mal einen Helm, ganz zu schweigen von einer Rüstung – nimmt die Verfolgung per Motorrad auf, erledigt mit gezielten Schüssen die Häscher im Wagen der Entführten und landet nach einem Evel-Knievel-artigen Sprung von seiner fliegenden Maschine – bautz! – direkt vor ihr auf der Motorhaube. Und während sie im entgegenkommenden Highway-Verkehr verzweifelt um ihr Leben kurbelt, hält er sich mit einer Hand fest und gibt mit der anderen weitere Maschinengewehrsalven auf die Verfolger ab. Durch die Windschutzscheibe ruft er ihr lächelnd zu: „Das Kleid ist wirklich hinreißend!“

Gemessen am Aufwand an Stunts und Pyrotechnik, der in dieser aus Verfolgungsjagden von „French Connection“ bis zum Computerspiel „Grand Theft Auto“ zusammengezimmerten Actionszene getrieben wird, ist der humoristische Ertrag am Ende, ein One-Liner ohne rechte Pointe, ziemlich gering. Bei „Knight and Day“, dem neuen Film von James Mangold, wurde offenbar für die computergenerierten Spezialeffekte ein so großes Budget verballert, dass für gute Dialoge oder wenigstens einen plausiblen Plot kein Geld mehr übrig war. Tom Cruise spielt einen außer Kontrolle geratenen CIA-Agenten, der sich Miller nennt, aber in Wirklichkeit Knight heißt, Ritter. Das blonde Fräulein, das immer wieder von ihm gerettet werden muss, bevor es selbst Lust am Ballern bekommt, ist Cameron Diaz.

Tom Cruise kehrt, nachdem er sich als Hitler-Attentäter Stauffenberg in „Operation Walküre“ als Charakterdarsteller versuchen konnte, auf bewährtes schauspielerisches Terrain zurück. Mit 48 Jahren will er demonstrieren, dass er beim Springen, Schlagen, Schießen noch immer so drahtig und sexy aussehen kann wie einst mit Mitte 20. So wirkt „Knight and Day“ in den Actionpassagen wie ein Schnelldurchlauf durch Cruise’ Helden-Filmografie, vom Kriegsfliegerepos „Top Gun“ bis zur „Mission: Impossible“-Trilogie, wo er auch schon mal auf dem Dach des durch den Eurotunnel sausenden Schnellzuges Bösewichter verprügeln musste.

Doch ein charismatischer Ritter der Lüfte ist der einstige Superstar längst nicht mehr. Wenn er noch im größten Getümmel mit seinem wie im Gesicht festgetackerten Lächeln Banalitäten wie „Ganz schön viel Gegenverkehr heute“ von sich gibt, dann erinnert er eher an den freundlichen Herrn Kaiser von der HamburgMannheimer, den es versehentlich aus dem Werbeblock in den Hauptfilm verschlagen hat.

Und Cameron Diaz? Hat in den fünf Jahren seit der Beziehungskomödie „In den Schuhen meiner Schwester“ keinen überzeugenden Film abgeliefert und ist in ihrer Ausdruckskraft ohnehin limitiert. Wenn sie wieder einmal von einer Wendung des Drehbuchs überrascht wird oder nach einer Ohnmacht in einem fremden Bett oder gleich auf der einsamen Insel erwacht, schnappt sie nach Luft und wirft irritierte Blicke. Dass zwischen diesem hilflosen Hascherl und dem stählernen Cruise ein erotisches Feuer lodern könnte, nimmt man dem Film keine Minute lang ab.

Dabei ist Regisseur James Mangold keiner dieser Hollywood-Routiniers, der Filme wie am Fließband fabriziert. Er arbeitet lange an seinen Projekten, zuletzt drehte er das Oscar-gekrönte Johnny- Cash-Melodram „Walk The Line“ und das Western-Remake „Todeszug nach Yuma“. Mit „Knight and Day“, platziert in den in den USA umsatzträchtigen Kinosommer, mag ihm eine Art eierlegende Wollmilchsau vorgeschwebt haben: die Fusion aus Thriller und romantischer Komödie, ein Männerfilm, den auch Frauen mögen. Derlei Bastardisierungen gelingen nur selten, etwa bei der Agentenkomödie „Mr. & Mrs. Smith“, die zugleich ein Vehikel für das Superstar-Paar Brad Pitt und Angelina Jolie war.

Mangold nennt als Vorbild für seine Kino-Hetzjagd Klassiker wie „Charade“ oder „Der unsichtbare Dritte“ von Hitchcock. Als MacGuffin, der die Handlung vorantreibt, dient ein rätselhafter Zephyr, eine von einem verschrobenen Wissenschaftler erfundene Miniaturbatterie von höchster Effizienz. Diverse Geheimdienste, Waffenhändler und natürlich die CIA wollen diesen Zephyr. Aber nur Cruise hat ihn und lässt ihn bei einer Zufallsbegegnung im Reisegepäck von Diaz verschwinden. Beim anschließenden Flug in einer fast leeren Maschine nach Boston schaltet Cruise ein halbes Dutzend Sky-Marshals und die ebenfalls auf ihn schießende Crew mit Karateschlägen aus. Diaz macht sich unterdessen in der Bordtoilette frisch. Als sie anschließend die in den Sitzbänken hockenden Opfer sieht – leblos wie von ihren Fäden abgeschnittene Marionetten – bekommt sie erst einmal einen Lachkrampf. Das ist eine der wenigen witzigen Stellen.

Vom Kornfeld, in dem Tom Cruise den Jumbo notlandet, führt der globale Abenteuertrip über die Karibik bis in ein pittoreskes Europa wie aus dem Urlaubsalbum. In Sevilla muss Cruise mit Diaz auf dem Rücksitz seines Motorrads vor den wild gewordenen Stieren der Corrida de Toros fliehen. Sein Haar sitzt sicher wie in der Drei-Wetter-Taft-Werbung, entschlossen beißt er die Zähne zusammen. So sieht kein Held aus, sondern bloß ein Mann, der den Furien seiner Vergangenheit zu entkommen sucht.

„Knight and Day“ startet am Donnerstag in den deutschen Kinos

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