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Kultur: Seifenoper

Wenn es um die Psychodynamik von Paaren und Familien geht, ist Doris Dörrie in ihrem Element. Ob als Filmemacherin, Schriftstellerin oder Opernregisseurin: Mit selbstironischem Understatement studierte sie die Charaktere ihrer Altersgenossen und scheut dabei vor der Banalität der Gefühle nicht zurück.

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Wenn es um die Psychodynamik von Paaren und Familien geht, ist Doris Dörrie in ihrem Element. Ob als Filmemacherin, Schriftstellerin oder Opernregisseurin: Mit selbstironischem Understatement studierte sie die Charaktere ihrer Altersgenossen und scheut dabei vor der Banalität der Gefühle nicht zurück. Der Zauber ihrer Kurzgeschichten liegt in eben diesem entzaubernden Moment des vermeintlich Lapidaren.

Aber die Gratwanderung zwischen dem Schönen und dem Schnöden ist riskant. In ihrem dritten Roman „Und was wird aus mir?“ kapriziert sich Dörrie auf Väter und Töchter sowie auf verkrachte Existenzen. Rainer, der in Hollywood gescheiterte deutsche Filmemacher mit Lederjacke und Fassbinder-Vergangenheit, möchte seiner abgöttisch geliebten, ferienhalber angereisten 15-jährigen Tochter Allegra den superreichen Regiestar vorgaukeln – bis das Mädchen mit dem supercoolen Erfolgsproduzenten Marko durchbrennt.

Auch die kinderlose Johanna, Rainers Ex und frühere Schauspielerin, kommt zu Besuch nach Los Angeles und hadert nicht minder mit Lebenspleite samt Vatertrauma. Das japanische Mädchen Misako wiederum beging Selbstmord, nachdem der Vater ihre Pornofotos im Internet entdeckte, und spukt nun im Kopf von Hollywoodmedium Heidi herum. Einst blonde Schönheit und ebenfalls Rainer-Gespielin, verdingt sich Heidi heute als aufgedunsene, zuckerkranke Pseudo-Esoterikerin. Und dann ist da noch Rigoletto: Auch Verdis Oper vom übergriffigen Vater und der mit dem supercoolen Fürsten durchbrennenden Tochter geistert von der ersten Seite an durch den Roman.

Alles so durchschaubar hier. Das Filmbusiness, die Hitler-Soap, die Marko dreht, die Opernwelt (Doris Dörrie hat „Rigoletto“ vor zwei Jahren in München inszeniert): Man kann förmlich sehen, wie sie die Fiktion aus Partikeln ihrer Berufslebenserfahrung zusammengeschustert hat. Wenn sie die großen Themen Sex, Tod und Schuld anfasst, schrumpfen sie diesmal tatsächlich zur Seifenopernbanalität, die Kritik an der Schickimicki-Society bleibt ihrerseits modisches Accessoire. Dörries Figuren befremden nicht. Ständig fühlen sie sich in ihren Biografien wie im falschen Film – eine Binse aus dem Fertigbaukasten der Entfremdungstheoretiker.

Doris Dörrie : Und was wird aus mir? Roman. Diogenes Verlag, Zürich 2007. 421 Seiten, 22,90 €.

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