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Kultur: Sein Bestes

„Ungeheuer oben“: die Gala am BE

Der Mann hat noch jede Enthüllung überstanden, auch jede Selbstentblößung. Eugen Berthold Friedrich Brecht, parteiloser Kommunist, Frauenfresser, Volksversteher und Herzneurotiker, ist der öffentlichste deutsche Dichter. Wir wissen alles über seine Qualitätszigarren und seine Bettqualitäten, genauer mit Marcel Reich-Ranicki gesprochen: „Er kam sehr schnell zum Orgasmus.“ Nun ist Brecht seit 50 Jahren tot, im Berliner Admiralspalast läuft die Dreigroschenoper, und schräg gegenüber, in seinem Berliner Ensemble, hebt ein dreiwöchiges Brecht- Fest an, das auch keine Fragen und Wünsche offen lässt.

Schon die Eröffnungsgala, geleitet von Hermann Beil, Jutta Ferbers und Claus Peymann, ist ein Klassentreffen der Brecht-Besten: Angela Winkler und Milva, Jürgen Flimm neben den Kessler-Zwillingen, George Tabori neben Gisela May, Käthe Reichel neben Dominique Horwitz und mittendrin Klaus Wowereit, der mit staatsmännischer Selbstironie den Text „Die Regierung als Künstler“ vorliest.

Durch den Abend leitet als Conferencier der Schauspieler und Regisseur Thomas Thieme, der unlängst die Macho-Moritat „Baal“ inszeniert hat, mit Ben Becker in der Hauptrolle und ganz vielen Matratzen auf der Bühne – der Mann weiß also, wie man mit Brecht zur Sache kommt. Sanft lakonisch trägt er Lyrisches vor, die Hollywood-Elegie vom „Markt, auf dem Lügen gekauft werden“. Im Berliner Ensemble hingegen werden Weisheiten verschenkt. Evergreens aus der Brecht-Factory, Gedichte, Weill- Songs, Anekdoten. Regine Lutz erzählt von den Proben mit B. B. zum „Lied der verderbten Unschuld beim Wäschefalten“ und bekennt, dass sie die Hymen- Hymne damals gar nicht verstanden hat. In ein ähnliches Horn stößt fröhlich der Dramatiker Franz Xaver Kroetz, der mit drei „schweinischen Gedichten“ Brecht als Porno-Poeten vorführt, was Hausherr Peymann sogleich mit zwei „Kindergedichten“ von 1937 konterkariert.

„Meinungen“ heißt dazu passend ein formidabler Kurzfilm von Patrick Batarilo, in dem Politiker von Müntefering bis Westerwelle ihren Lieblings-Bertolt zitieren. Auch der CDU-Mann Peter Müller kommt zu Wort, der mit einer gewissen Befriedigung erzählt, dass Brechts „Dreigroschenopern“-Bonmot, wonach der Überfall auf eine Bank ja nichts sei im Vergleich zur Gründung einer solchen, sich gerade in Bankerkreisen großer Beliebtheit erfreue. Vielleicht war Josef Ackermanns berüchtigte Victory-Geste in diesem Sinne der ultimative V-Effekt.

Geld aber spielt an diesem Gala-Abend nur eine Nebenrolle. Verwundert über den ganzen Jubiläumsaufwand, zeigt sich nur der Dramatiker Peter Turrini: „Ich bin extra aus Österreich hergeholt worden, um ein Gedicht vorzutragen, das die meisten von Ihnen schon kennen.“

Vor dem BE wiederum ist ein Brecht- Erlebnis-Park voll Fotos und Plakaten entstanden, dessen Hauptattraktion das von Karl-Ernst Herrmann entworfene „Brecht Monument“ bildet: Ein 15 Meter großer Pappkamerad mit dichtertypisch bebrilltem Konterfei, hydraulisch beweglicher Friedenstaube in der Linken, illuminierter Flüstertüte in der Rechten und der obligatorischen Zigarre irgendwo in Höhe des Hinterns. „Das Monument singt, schreit, raucht, winkt .. .“, frohlockt das Gala-Programmheft. Stimmt aber nicht ganz, es schallen bloß mit der knarzigen Stimme des Original-Brecht Probenmitschnitte, die Mackie-Messer- Ballade und andere Schellack-Schätzchen über den Platz, und zwar fortan jeden Abend während des Brecht-Fests, so lange, „bis die Anwohner die Texte auswendig können“, wie Peymann bei der feierlichen Enthüllung feixte. Auch diese wird Brecht überstehen.

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