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Sinéad O'Connor im Berliner Admiralspalast.

© DAVIDS/Christina Kratsch

Sinéad O’Connor live in Berlin: „Nothing Compares 2 U“ singt sie so makellos wie damals

Es war ein berührendes Comeback-Konzert, das die Sängerin Sinéad O’Connor im Berliner Admiralspalast gab. Sie agierte hochkonzentriert, präsent und gelöst.

Ob sie die Haare unter dem Hidschab noch immer raspelkurz trägt? Es sieht fast so aus, denn das dunkelblaue Tuch liegt ganz eng am Kopf von Sinéad O’Connor, die barfuß und in einem langen dunkelblauen Gewand in den Admiralspalast gekommen ist. Die irische Sängerin ist im vergangenen Jahr zum Islam übergetreten und hat sich den Namen Shuhada Sadaqat gegeben.

In Sachen Unangepasstheit kann es ihr neues Erscheinungsbild locker mit ihrem Look aus den Achtzigern und Neunzigern aufnehmen. Allerdings geht es Sinéad O’Connor heute genauso wenig um Provokation wie einst, als sie vor laufenden Kameras ein Bild von Papst Johannes Paul II. zerriss, oder später, als sie mit Priesterkragen auftrat und sich ein Jesus-Bild auf die Brust tätowieren ließ.

Religion ist für die Sängerin eine todernste Sache, sie hat sich ihr gesamtes Erwachsenenleben intensiv damit beschäftigt, wovon viele ihrer Lieder zeugen.

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Eine Glaubensheimat hat sie jedoch erst gefunden, seit sie den Koran entdeckte. Sie habe erst spät mit der Lektüre begonnen, weil sie „voller Vorurteile gegen den Islam “ gewesen sei, sagte die Sängerin, von der 2015 zuletzt ein Album erschien, in einem TV-Interview. Sie betonte auch, dass die muslimische Gemeinschaft sie warmherzig empfangen habe.

Sinéad O’Connor: Hochkonzentriert, mit geschlossenen Augen

Dass sie sich gut aufgehoben fühlt und ganz bei sich ist, verdeutlicht ihr Auftritt in Berlin in jeder Sekunde. Sie agiert hochkonzentriert, meist mit geschlossen Augen. Kaum einmal entfernt sie sich vom Mikroständer. Trotzdem wirkt sie nicht distanziert, sondern präsent und gelöst.

Nach den oft beunruhigenden Nachrichten der letzten Jahre, als sie etwa einen Selbstmord ankündigte oder kurzzeitig verschwand, ist es schön, sie so zu sehen. Und zu hören. Ihre Stimme beeindruckt noch immer durch ihre Kraft und Klarheit, ein paar kleinere Ruckler sind schnell überwunden.

Zur Eröffnung singt Sinéad O’Connor begleitet von einer fünfköpfigen Band John Grants Song „Queen Of Denmark“, der mit den Zeilen „I wanted to change the world/ But I could not even change my underwear“ beginnt und in einer extremen Leise-Laut-Dramaturgie zwischen Selbsthass und Selbstbehauptung pendelt. Während des Refrains stampft O’Connor mit einem Bein auf, peitscht sich mit der linken Hand nach vorn.

Große Tränenzieher-Momente

Sie hat das Stück 2012 für das Album „How About I Be Me (And You Be You)?“ aufgenommen. Drei weitere Songs von diesem soliden Werk sind im ersten Drittel des knapp 90-minütigen Auftritts zu hören. Was etwas überproportional erscheint, zumal sie keinen einzigen Song ihres fantastischen Debütalbums spielt. Hits wie „Mandinka“ und „Troy“ hätten sicher viele im ausverkauften Saal gern gehört. Doch übel nimmt ihr das niemand, die Stimmung ist herzlich bis andächtig.

Vor allem, als Sinéad O’Connor ihre erste und einzige Ansage macht. Sie erklärt, dass der 8. Dezember – der Tag des Konzertes und zugleich ihr Geburtstag – ein ganz besonderer für ihre Mutter gewesen sei und sie ihr den nächsten Song widme.

Es ist eine bewegende A-Capella-Version von „I Am Stretched Out On Your Grave“, die direkt übergeht zu „In This Heart“. Nach den ersten Zeilen treten zwei der Bandmitglieder neben O’Connor ans Mikrofon, um mit ihr harmonisierend einer verlorenen Liebe hinterherzutrauern. Ein großer Tränenzieher-Moment.

Aus den Sitzen reißt es die Menge dann bei „Last Day Of Our Aquaintance“, das den Hitblock von O’Connors Durchbruchsalbum aus dem Jahr 1990 eröffnet – blitzblanker, zeitloser Pop, beglückend wie eh und je.

Das gleiche gilt für „Nothing Compares 2 U“. Den vielleicht besten Herzschmerz-Song aller Zeiten singt die 53-Jährige so makellos wie damals in ihrem ikonischen Videoclip. Das lila Licht als Gruß an den Komponisten Prince, ein kurzes Lächeln für die Fans, die nach zwei Zugaben noch „Happy Birthday“ anstimmen. Sinéad O’Connor ist da schon verschwunden. Ihre Stimme hallt noch lange durch den Kopf.

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