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Kultur: Singen nach innen

Schwer hängt die Luft im Foyer des Kammermusiksaals, es riecht nach Turnhalle und Quatschmachen. Gerade haben Berliner Schüler im Rahmen des „Querklang“- Projekts der Märzmusik hier ihre eigenen Kompositionen vorstellen dürfen, und etliche Erziehungsberechtigte sind davon offenbar so enthusiasmiert, dass sie ihrem neutönerisch gestählten Nachwuchs gleich auch den sich anschließenden Streichquartettabend zumuten wollen.

Schwer hängt die Luft im Foyer des Kammermusiksaals, es riecht nach Turnhalle und Quatschmachen. Gerade haben Berliner Schüler im Rahmen des „Querklang“- Projekts der Märzmusik hier ihre eigenen Kompositionen vorstellen dürfen, und etliche Erziehungsberechtigte sind davon offenbar so enthusiasmiert, dass sie ihrem neutönerisch gestählten Nachwuchs gleich auch den sich anschließenden Streichquartettabend zumuten wollen. Werke von Georges Aperghis, Brian Ferneyhough, James Clarke, Olga Neuwirth und Hugues Dufourt, gespielt vom Arditti Quartett – das wird den meisten Kleinen allerdings rasch zu viel.

So interessant sich eine solche Bestandsaufnahme in Sachen Streichquartett auf dem Papier des sehr dicken Märzmusik-Programmbuchs liest (keine der Kompositionen ist älter als zwei Jahre), so ratlos lässt einen der Ertrag. Zunächst machen die Ausgangspositionen durch extreme Unterschiedlichkeit Hoffnung: Während Aperghis über „Harmonie“ nachdenkt und Ferneyhough sich auf den Renaissance-Komponisten Christopher Tye bezieht, predigt James Clarke die totale musikalische Autonomie und fasst Dufourt seine Gattungsfragen in irrlichternde Viola-Monologe. In der klanglichen Ausreizung des Instrumentariums aber scheint man sich erstaunlich einig zu sein. Windige, zwitschernde Pianissimi, viel Flageolett, ein paar ächzende Abstriche am Frosch, bloß keine Melodie, wenig Rhythmisches auch – fertig ist das Vokabular. Bei Dufourt kommen beeindruckende Momente von physischer Verausgabung hinzu, bei Asperghis gefällt die Absichtslosigkeit, das Rascheln aus dem Nichts.

Einzig Olga Neuwirths „In the Realm of the Unreal“ – eine Hommage an den US-amerikanischen Künstler Henry Darger – wagt sich aus dieser akademischen Deckung heraus: Mit einer Partitur der schlaglichtartigen Kontraste und unverhofften Wendungen, wie man es von der Österreicherin kennt; mit einer Dichte und Schärfe, einer Tiefenschärfe auch, die stets mehrere Klanggewebeschichten übereinanderlegt und -denkt. Berührend sind insbesondere deren abgewetzte, sozusagen durchsichtige Stellen, die mal in gläsernen Sequenzen, mal in lustvoller Motorik etwas ahnen lassen von der Schönheit und Zerbrechlichkeit, vom inneren Gesang, der die Gattung einst so beflügelt hat. Christine Lemke-Matwey

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