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Sonya Yoncheva

©  Doris Spiekermann-Klaas

Sopranistin Sonya Yoncheva in Berlin: Königin und Kurtisane

Töne, die im Raum schweben: In der Philharmonie singt Sonya Yoncheva Arien von Giuseppe Verdi, begleitet vom Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin.

Sie ist biegsam wie ein Halm im Wind, breit strömend und vor allem in der Höhe von ungeheurer Kraft: Wenn Sonya Yoncheva singt, brandet ihre Stimme regelrecht ans Ohr, ein Naturereignis. Zwischen zwei Auftritten als Medea an der Berliner Staatsoper hat die bulgarische Sopranistin jetzt einen Solo-Abend in der Philharmonie eingelegt. Der allerdings nicht ganz so solo ist: für zwei Nummern darf Bruder Marin Yonchev als Verstärkung dazukommen.

Das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin mit Massimo Zanetti am Pult liefert den orchestralen Sound und freut sich hörbar, Oper spielen zu dürfen – wozu ein Symphonieorchester ja sonst nicht oft Gelegenheit hat. Ausschließlich Verdi steht nämlich auf dem Programm, Ouvertüren und Arien, die sie erst im Frühjahr auf CD eingesungen hat. Dass das Orchester seine Opernkompetenz unter Beweis stellen will und wirklich Lust hat auf dieses Repertoire – das äußert sich aufs Schönste in blitzschnellen Wendungen, Temporückungen und Spannungswechseln. Die so eminent wichtig sind, will man Verdis delikaten Figurenzeichnungen musikalisches Leben einhauchen. Drängend, dräuend, unheilschwanger rollt das Hauptthema der Ouvertüre zu „Macht des Schicksals“ heran, Zanetti dirigiert mit Umsicht und feinzeichnend, pumpt aber trotzdem jede Menge Energie ins Orchester.

Mit explodierender Kraft

„Pace mio Dio“, die große Arie der Leonora aus „Macht des Schicksals“, eröffnet mit eben jenem Thema. Dann setzt Sonya Yoncheva mit dem zweigestrichenen f ein, hält es eine kleine Ewigkeit aus, rutscht sanft hinunter zum gleichen Ton, eine ganze Oktave: Pa-ce, gib mir Frieden, mein Gott. Töne im Raum schweben zu lassen, das kann sie, mit einer sich erst in der Höhe vollständig entfaltenden, geradezu explodierenden Kraft. Und mit einer ins Schattenhaft-Mysteriöse hinabsteigenden Tiefe, vor allem in „Tu che la vanità“ – jener Arie der Elisabeth aus „Don Carlo“, in der Verdi der Sängerin Gelegenheit gibt, den ganzen Stimmumfang zu demonstrieren. In der Zurücknahme und in den Pianopassagen findet Yoncheva Zeit und Ruhe, ihren Figuren auch so etwas wie Charakter zu schenken – was im Powerklang ihrer gestählten Höhe oft zu kurz kommt. Deshalb sind ihre Rolleninterpretationen auch von einer gewissen Gleichförmigkeit, es ist im Grunde immer dieselbe Figur, die sie präsentiert: eine kernig-resolute Frau, die sich zugleich gut im Griff hat und es nie mit dem Aktionismus übertreibt.

Bruder Marin Yonchev schlägt sich wacker mit einer Arie aus „I Lombardi“, seine Stimme ist viel kleiner als die der Schwester, in die Höhe muss er sich hinaufstemmen, aber sein Gesang wirkt authentisch, ehrlich empfunden, anrührend. Für das große Duett im Finalakt von „La traviata“ schließlich, eingeleitet durch die spinnfadenfeinen, ätherischen Ouvertürenklänge der Streicher, stehen beide zusammen auf dem Podium als Violetta und Alfredo, ergänzen sich in der Unterschiedlichkeit: „Parigi, o cara“: „Paris, meine Liebste, werden wir verlassen/und die Zukunft wird uns zulächeln“. Das nimmt man Yoncheva sogar ab. Denn wie eine tödlich an Tuberkulose Erkrankte klingt sie wahrlich nicht.

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