
© imago/photothek/IMAGO/Thomas Trutschel/photothek.de
Der Sound der Blitzradler: Sssssssssrrrrrrrrr
Mit einem intensiven Surren machen Rennräder auf sich aufmerksam. Unsere Autorin lauscht auf ihrem Hollandrad – und wird neidisch auf die elegante Kommunikationsform.

Stand:
Sssssssssrrrrrrrrr macht es hinter mir auf dem Radweg. Ohne mich umschauen zu müssen, weiß ich, dass ein Mensch mit einem teuren Rad gerade nah an mich herangefahren ist – und nun nicht mehr in die Pedale tritt. Denn dieses Surren entsteht nur im Freilauf.
Die Person an meinem Hinterrad gibt mir also wortlos zu verstehen, dass sie gerne an mir vorbeifahren würde. Alles klar, ich steuere ein wenig nach rechts und sie kann weiterflitzen. Jetzt wieder tonlos.
Diese Art der Kommunikation von Rad zu Rad finde ich deutlich eleganter als alarmistisches Geklingel, wobei ein Hauch von passiver Aggressivität mitschwingt, transportiert das Ssssssrrrrr doch auch die Botschaft „Du hältst mich gerade auf“.
Da ich mich selbst oft von anderen Radelnden gebremst fühle, nervt mich das aber nicht. Es kommt eher Neid auf. Denn mein 1965 gebautes Hollandrad gibt im Leerlauf nur das schnöde Schnurren einer Dreigangschaltung von sich. Damit kann ich niemanden auf mich aufmerksam machen. Besonders wenn Fußgängerinnen in der Nähe sind, wäre ein sportliches Surren praktisch.
Immerhin: Geht es über Kopfsteinpflaster oder schlaglochreiche Wege, scheppert mein Rad dramatisch, was mir häufig die Klingel ersetzt, die ich wirklich nur im Notfall benutze.
Das Ssssssrrrrr ist ein noch relativ junges Phänomen auf Berlins Straßen. Einst klangen nur Profi-Räder so, was bei Rennen wie der gerade laufenden Tour de France tatsächlich zur Entfernungsabschätzung zwischen den Fahrern dient.
Inzwischen bauen aber auch immer mehr Hersteller von hochwertigen Rädern für den normalen Straßenverkehr den Soundeffekt ein. Er entsteht durch eine oder mehrere Sperrklinken im Inneren der Hinterrad-Nabe. Je nachdem wie fest sie mittels kleiner Federn gespannt werden, wie sie geölt und gefettet sind, variiert der Klang. Auch das Material des Rahmens spielt eine Rolle.
Im Netz finden sich diverse Anleitungen, um das Surren, das eigentlich ein Klicken ist, zu manipulieren. Manchen gilt der Sound sogar als Statussymbol. Dass er in Berlin meist ein „Du bist im Weg“-Signal ist, liegt an den größtenteils viel zu schmalen Radwegen. In einem gut ausgebauten Netz würden die Flitzer noch viel schöner klingen.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: