
© MadeFor Film / Stephan Rabold
Stromberg ist zurück im Kino: Die Einsamkeit des Ekels
Passt Büro-Bösewicht Bernd Stromberg, ein großer Beleidiger, noch in die Gegenwart? Die Antwort darauf gibt der Kinofilm „Stromberg – Wieder alles wie immer“.
Stand:
Selbstlob ist die schönste Form des Lobs. Weil es ehrlich gemeint ist. Bernd Stromberg hält große Stücke auf sich und zögert nicht, es dem Rest der Welt mitzuteilen: „Ich bin die perfekte Mischung aus jung, aber sehr erfahren“, lautet einer seiner Ego-Klassiker.
Der Ressortleiter Schadensregulierung M-Z bei der Capitol Versicherung sieht sich als Vorbildmanager und Problemlöser: „Lass das mal den Papa machen, der Papa macht das gut.“ Das hat er sogar gesungen. Wobei das Machen eher nicht zu seinen Stärken zählt.
Dieser Stromberg, von Christoph Maria Herbst als Karikatur eines Großmauls und Kleingeistes verkörpert, wirkt eigentlich wie völlig aus der Zeit gefallen. Zu sexistisch, xenophob und verächtlich klingen seine Kommentare.
Alles andere als anachronistisch
Eine Kostprobe: „Gute Frauen sind wie Weißbrot. Außen knackig, innen weich. Aber so ein Brot kann auch schimmeln.“ Oder etwas aus der Abteilung Empathie mit Minderheiten: „Moslems sind die neuen Homosexuellen.“
Doch in Wahrheit ist Stromberg alles andere als eine anachronistische Figur. Im Weißen Haus regiert ein Politiker, der Frauen herabwürdigt, Migranten jagen lässt und sich für den erfolgreichsten Präsidenten aller Zeiten hält. Weltweit sind Populisten auf dem Vormarsch, zu deren Rhetorik Selbstbeweihräucherung und Beleidigungen gehören.
Besser könnten die Umstände für ein Comeback von Bernd Stromberg also kaum sein. Die 2004 begonnene Fernsehserie „Stromberg“, mit der Herbst zum Star aufstieg, war 2012 nach fünf Staffeln abgesetzt worden. Zwei Jahre später folgte ein Kinofilm, der damit endete, dass der Titelheld in die Politik wechselte.
Nun ist das Ekel zurück, mit dem Film „Stromberg – Wieder alles wie immer“. Das Drehbuch stammt vom Stromberg-Erfinder Ralf Husmann. Regie führte, wie schon beim ersten Film, Arne Feldhusen. Stimmt schon, Stromberg hat sich wenig verändert. Geblieben sind der Klobrillenbart, die Halbglatze und sein schnaufendes Lachen. Nur, dass sich Falten tief in sein Gesicht gegraben haben. Christoph Maria Herbst ist jetzt 59.
Noch einmal kommen der dysfunktionale Bürochef und die Kernkräfte seines Teams zusammen, für die nostalgische Fernsehshow „Stromberg – das Wiedersehen“. Ulf und Tanja Steinke (Oliver Wnuk und Diana Staehly) sind immer noch verheiratet und immer noch bei der Capitol. Auch ihr Sohn Marvin ist bei der Versicherungsfirma untergekommen, als überforderter Auszubildender in der Poststelle.
Das Bauchgefühl täuscht
Büroschönheit Jennifer (Milena Dreißig), die einst beinahe ein Kind von Stromberg bekommen hätte, hat dummerweise erneut auf ihr Bauchgefühl gehört. So kam sie mit dem Content-Creator Julian (László Branko Breiding) zusammen, der dauerhaft mit dem Handy filmt und alles „safe“ oder „lame“ findet. Für ihn hat Jennifer „die Orga“ übernommen.
Nur der traurigste Vogel von allen, Strombergs Lieblingsopfer Berthold „Ernie“ Heisterkamp (Bjarne Mädel) ist jetzt ein anderer. Jedenfalls fast. Er arbeitet als Life Coach und hat das Buch „Du bist kein Opfer – Strategien gegen Mobbing“ veröffentlicht. Seine Erscheinung wirkt aschgrau, die Prinz-Eisenherz-Frisur ist schütter geworden. Das Buch hält er falschrum in die Kamera. Und er schafft es kaum durch die Drehtür. Ernies Attribut: ein Klapphandy.
Schon die Serie war wie eine Pseudo-Doku-Soap inszeniert, Fernsehen im Fernsehen. Auch dieses Mal werden die Figuren permanent von Kameras begleitet, die vor allem festhalten, was misslingt. „Scheitern heißt siegen“, sagt Stromberg. „Manchmal ist Scheitern aber nur Scheitern.“

© MadeFor Film / Willi Weber
„Stromberg – Wieder alles wie immer“ ist eine Mediensatire, in der die Kritik an den Witzen, die Stromberg reißt, gleich mitgeliefert wird. Was „nicht mehr geht“, was heute alles „nicht mehr gesagt werden kann“, wird ausführlich diskutiert. Scherze über „Blinde oder so“, wie Ernie betont.
„Kann ein Schwarzer im Sonnenstudio arbeiten?“, hat Stromberg früher gefragt. Heute würde er sagen: „Da musst du ihn fragen, das ist dessen Paar Schuhe. Wenn die Schuhe haben.“ Seinen Ressentiments entkommt der Sprücheklopfer nicht, in den neuen Zeiten findet er sich nicht zurecht. Von Tanja und Ulf will er wissen, ob ihr Sohn schwul oder queer sei. „Ist Marvin einer von, äh, denen, LGBTX, äh, ein Buchstabe davon?“
Parallel zu den Proben des Stromberg-Wiedersehens wird in den Fernsehstudios die Show „Schlager-Herbst“ gedreht. Vor den Toren haben sich Fans versammelt, ausschließlich Männer, viele als Stromberg-Doppelgänger mit aufgeklebtem Bart und in eiterfarbenem Trenchcoat. Sie geraten mit einer Gegendemonstration aneinander, die ausschließlich aus Frauen besteht.
Der Chef-Mobber wird gemobbt
Die Show wird verschoben, vielleicht muss sie ganz abgesetzt werden, weil die Capitol mit juristischen Mitteln droht. So verbleibt der Film auf Hinterbühnen und in einer Hotelbar, kommt nur schwer in Fahrt. Stromberg hat damit geprahlt, nun in einem Chefzimmer der Firma „alpha“ zu residieren.
In Wirklichkeit besitzt er dort kein Büro und fungiert in Schulungsfilmchen („Lernt von Bernd“) als abschreckendes Beispiel: „Wie immer wollen wir es nicht machen wie Bernd.“ Der Chef-Mobber wird jetzt selbst gemobbt.
Vor den Augen seiner einstigen Untergebenen gedemütigt, randaliert Stromberg, kapert ein Auto, verursacht einen Unfall und flieht zu Fuß weiter. In einem Park beginnt er Streit mit Jugendlichen, verletzt einen von ihnen mit einer zerbrochenen Bierflasche. Viel Blut fließt, das alles landet auf Videos im Netz.
Hinter der Wut steckt Verzweiflung, die Komödie wandelt sich zum Drama. Andere Menschen haben eine Familie oder Freunde. Stromberg hat bloß seine Melancholie. Noch einmal fährt er zurück in die Vergangenheit, ins leer stehende Capitol-Bürogebäude. Kein Trost, nirgends.
In der schönsten Szene schenkt Bernd Stromberg seinen Mantel wie einst Sankt Martin einem Obdachlosen. Dann umarmt er den zauseligen Alten lange und rümpft anschließend die Nase: „Du musst dir mal ein Wunderbäumchen umhängen.“ Böse Bemerkungen kann sich dieser Mann nicht verkneifen. Auch wenn in ihm ein Heiliger steckt.
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