Kultur: Tagebuch einer Inselbewohnerin
Verlust und Rettung: drei koreanische Debüts im FORUM
Einsamer nie als in Korea: Ho-Jun, ein aus seinem Familienleben und seiner Universitätslaufbahn gefallener Filmdozent, könnte wochenlang aus Versehen im Badezimmer seiner Wohnmaschine eingeschlossen sein, ohne dass jemand sein Verschwinden bemerkt. Gut, dass Shin Dong-Il ihm in „Bangmunja – Host & Guest“ einen Retter schickt, der ihn langsam auch aus seiner emotionalen Zwangslage befreit. Oder der 19-jährige Han-Soo in Cho Chang-Hos „The Peter Pan Formula“: der Star seines Schwimmvereins, bis ihn ein Selbstmordversuch seiner Mutter so aus der Bahn wirft, dass er in seiner eigenen Verzweiflung zu ertrinken droht. Oder Aimie in So Yong Kims „In Between Days“: ein pubertierendes Mädchen, das so viel Sprachlosigkeit und Verlorenheit aus ihrem alten koreanischen Leben mit nach Toronto genommen zu haben scheint, dass sie sich in ihrem neuen kanadischen fast völlig isoliert.
Drei Debüts, drei Einsamkeiten. Die erste hart und mitleidslos: mit einem Helden, der vor dem Computerbildschirm masturbiert, sich mit Nutten sturzbetrunken in Karaoke-Bars vergnügt und wenig Ehrgeiz zeigt, sich um seinen kleinen Sohn zu kümmern. Die zweite äußerst dekorativ: mit einer am weißen Klavier musizierenden Sehnsuchtsfrau und einem Drachen, der im Meereswind flattert, bis er abstürzt am Inselstrand – Symbol einer Liebe ohne Chance. Die dritte nüchtern, ja dokumentarisch: aus nächster Nähe aufgenommene Blicke in Aimies meist unbewegtes Gesicht. Doch die Unterschiede liegen nicht nur im Tonfall. Für alle drei Filme gilt: Je höher die Ambition, desto schwächer das Ergebnis.
„The Peter Pan Formula“ streckt sich nach einem international vermarktbaren Kino der Gefühle und verliert dabei einen großen Teil seiner Radikalität – etwa wenn Han-Soos gewaltsame Raubzüge durch die Geschäfte der Umgebung, mit denen er die Pflege seiner komatösen Mutter finanzieren will, zum illustrativen Erzählstrang verkümmern. Auch der beklommene Umgang des Sohnes mit dem nackten Körper der Mutter verliert sich zwischen geschmäcklerischen Leitmotiven.
Verglichen mit Cho Chang-Hos überinstrumentalisiertem Erzählen wirkt Shin Dong-Il fast wie ein Minimalist. „Host & Guest“, die Geschichte einer kuriosen Männerfreundschaft, lässt Bewegung ganz ohne Musik und Kamerakunststücke entstehen, unterwirft die Bekehrung seines Helden vom Zyniker zum Menschenfreund aber einer unwahrscheinlichen Mechanik: Wenn Gye-Sang, der Zeuge Jehovas, am Ende hinter Gitter muss, weil er den Wehrdienst verweigert, ist Han-Soo, der ihn zusammen mit seinem Sohn im Gefängnis besucht, geläutert.
Erstaunlich, wie offen beide Filme mit Sexualität umgehen – ein Punkt, an dem sich der Bruch der rasant modernisierten koreanischen Einsamkeitsgesellschaft mit der Tradition am deutlichsten zeigt. Er ist es auch deshalb, weil das Nichtsprechen über Sexualität bei So Yong Kim zum Thema wird – eine Erfahrung, die die Regisseurin im Teenageralter bei ihrer Emigration nach Kanada selbst gemacht hat. „In Between Days“ ist das kleinste und unspektakulärste Debüt unter den drei Koreanern – als eine Art digitales Video-Tagebuch von außen aber auch das stimmigste. Es passiert nicht viel in den 82 Minuten von „In Between Days“, aber Aimie, intensiv gespielt von Jiseon Kim, zu folgen, wie sie kocht und sich mit ihrer Mutter auseinander setzt, und vor allem, wie vergeblich sie um ihren einzigen Freund Tran wirbt, der sich alsbald mit einer amerikanisierten Koreanerin einlässt, das ist ein sympathisches Abenteuer.