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Eins der Springbrunnenbilder des französischen Malers Hubert Robert (1733-1808), hier auf dem Schlossgelände von Marly.

© imago/United Archives International

Hubert Robert und Marcel Proust: Tausend Wasser hoch

Madame d'Arpajon und die Wassersäule: Wie Marcel Proust einen Springbrunnen des Malers Hubert Robert in sein Romanwerk integriert hat.

Es ist die Großmutter, Bathilde, die den Ich-Erzähler der „Recherche“ in seiner Jugend mit dem Maler Hubert Robert bekannt macht. Immer darauf aus, ihm Geschenke zu machen, die ihn intellektuell weiterbringen, schenkt sie ihm eines Tages in Combray Reproduktionen von Sehenswürdigkeiten, die von Malern in Szene gesetzt wurden.

Neben dem Vesuv-Ausbruch von William Turner und Jean-Baptiste Camille Corots Kathedrale von Chartres ist dabei auch ein Gemälde von Hubert Robert, mutmaßlich „La cascade de Saint-Cloud“. Robert, 1733 geboren und 1808 verstorben, hatte sich als Maler der Frühromantik und Caspar-David-Friedrich-Mal- und Seelenverwandter eigentlich auf Ruinenlandschaften spezialisiert, er galt als „Peintre des Ruines“.

Doch gibt es von ihm auch diverse Brunnen- und Wasserfontänenbilder, neben den Saint-Cloud-Bildern beispielsweise auch „Le Grand jet d’ eau de la villa Conti à Frascati.“

Proust hatte 1899 erstmals in seinem Briefroman „Briefe aus Persien und anderswoher“ auf Robert und den von diesem gemalten Springbrunnen im Park des Schlosses Saint Cloud angespielt. Später stattet er dann erst den jugendlichen Marcel mit eben jener Reproduktion aus, um schließlich, in „Sodom und Gomorrha“, dem vierten Band der „Recherche“, den Brunnen aus dem Bild herauszulösen und in den Garten des Palais der Fürstin Guermantes zu stellen.

Eher der Eindruck von Kunst als die Empfindung von Wasser

Tatsächlich ist es in „Sodom und Gomorrha“ schwer auseinanderzuhalten, ob Proust hier ein Gemälde beschreibt (was er natürlich tut), nämlich die sich vor einem düsteren Wolkenhimmel emporhebende Wasserkaskade in Saint Cloud. Oder ob er einen gewissermaßen realfiktiven Hubert-Robert-Brunnen in seine Erzählung integriert.

Großartig ist auf alle Fälle seine Beschreibung der Wasserspiele dieses Brunnens, des Zusammenspiels der verschiedenen Strahle von nah und fern. So heißt es in der Rechel-Mertens/Keller-Übersetzung: „Das achtzehnte Jahrhundert hatte die Eleganz seiner Linienführung abgeklärt, aber offenbar, als es den Stil des Strahles ein für allemal bestimmte, sein Leben gleichsam zum Stillstand gebracht; aus dieser Entfernung gesehen, rief er eher einen Eindruck von Kunst als die Empfindung von Wasser hervor.“

Proust malt gleichsam wie Robert Wasser, Brunnen und Umgebung, nur in Worten, so wie er auch den Spargel von Manet oder die Seestücke von Monet mittels langer Satzkaskaden förmlich nachgemalt hatte. So sind es hier „tausend einzeln emporsteigende Strahlen“, die „von weitem den Eindruck eines einzigen Strahls zu geben vermochten“.

Aber: „Dieser war in Wirklichkeit ebenso oft unterbrochen wie das Niederfallen der Strahlen, während er mir von weitem unbeugsam, lückenlos, dicht erschienen war.“

Ein Windstoß verändert dann die Richtung der Wassersäule und durchnässt eine gewisse Madame d’ Arpajon – und schon ist Roberts Springbrunnen aktiver Teil von Prousts Roman und ein wunderbares Beispiel für die Umwandlung von Malerei in Literatur geworden.

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