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Die letzte Printausgabe der Zeitung „taz“ vom 17. Oktober 2025 liegt auf einem Tisch zwischen anderen Zeitungen.

© dpa/Soeren Stache

„taz“ schafft gedruckte Zeitung ab: Jetzt raschelt es nur noch am Wochenende

Die „taz“ stellt bis auf die „Wochentaz“ ihre tägliche Printzeitung ein. Stellen sollen nicht abgebaut werden. Ein Anlass, um kurz noch mal wehmütig zurückzuschauen.

Stand:

Es war der 24. April 1993, als in der „taz“ mein erster Zeitungstext veröffentlicht wurde, über die aus Seattle stammende Band The Walkabouts, die an diesem Tag abends im Loft am Nollendorfplatz ein Konzert spielen sollte. „Vorschlag“ hieß das Format im Berlin-Teil der Zeitung, die erst 15 Jahre zuvor gegründet worden war, im Herbst 1978. Ich hatte mir im Wissen um die Veröffentlichung die Ausgabe schon am Vorabend am Neuköllner Hermannplatz besorgt: bei einem Zeitungsverkäufer, der – wie alle damals – auch die „taz“ im Angebot hatte. Those were the days.

Hatten alle meinen Text gelesen?

Für mich natürlich ein Ereignis: Das erste Mal gedruckt in einer richtigen Zeitung (kein Fanzine, kein Uni-Blättchen), sah super aus auf dem Zeitungspapier mit meinem Namen darunter. Müsste sich da die Welt nicht noch einmal ganz anders und neu drehen? Tat sie aber nicht, auch nicht die in Berlin. Oder im Café M, wo ich am Abend des Konzerts der Walkabouts saß und meinte, ALLE hätten die „taz“ und meinen Artikel gelesen.

Und nun? Erscheint die „taz“ an diesem Freitag ein letztes Mal als gedruckte Zeitung unter der Woche. Mit einer Sonderausgabe mit vierzig, von dem Künstler Christian Jankowski gestalteten Seiten, in memoriam anderer Sonderausgaben wie der „Feindes-taz“ (die 2003 eine Auflage von 100.000 Exemplaren erreichte) oder der „Entschwörungs-taz“ 2020 während der Corona-Pandemie, da es eine Inflation von Verschwörungstheorien gab.

Für Zeitungsfetischisten bleibt, vorerst, die am Samstag erscheinende „Wochentaz“, die es schon seit einigen Jahren gibt, als Wochenzeitung mit deutlich reduziertem aktuellen Teil.

Die „taz“-Chefredakteurinnen Ulrike Winkelmann (l) und Barbara Junge.

© dpa/Jens Kalaene

„Wir waren schon immer Medienpioniere“, hat eine der drei Chefredakteurinnen, Barbara Junge, einmal in einem Interview mit einem Medienmagazin gesagt. Ganz klar gehorcht dieses Vorgehen jedoch auch der wirtschaftlichen Vernunft. Bei der „taz“ gehen Verkaufs- und Druckauflage genauso zurück wie bei allen anderen Zeitungen, bei gleichzeitig steigenden Vertriebs-, Druck- und Papierkosten.

Die genauen Zahlen gibt es am Dienstag dieser Woche bei einer, wenn man so will, Abschied-von-Print-Pressekonferenz im „taz“-Haus an der Friedrichstraße. Präsentiert werden sie von der Geschäftsführung in personas Aline Lüllmann und Andreas Marggraf sowie der Chefredaktion mit den drei, wie sie sich gendersprachlich höchst korrekt nennen, Chefinnenredakteurinnen Ulrike Winkelmann, Barbara Junge und Katrin Gottschalk.

Nur noch 14.323 Printexemplare

Die verkaufte Printauflage liegt im Moment bei 14.323 Exemplaren, 2018 wurden noch 19.000 als Abos ausgegeben (in den goldenen Zeiten waren bei den Rettungskampagnen immer 50.000 das Ziel). Knapp 20.000 Exemplare sind es inzwischen in der Kombination aus E-Paper und Print. Bei der „taz“ allerdings kommen dazu noch die „taz-zahl-ich“-Digital-Abos (mit unterschiedlichen Preisen), die sich auf 45.000 belaufen sollen, und so rechnet man sich bei der Zeitung aus Digitalkombi-Abos, der „Wochentaz“, die eine Auflage von knapp 15.000 hat, und den „taz-zahl-ich“-Abos eine stolze Gesamtauflage von fast 80.000 zusammen. Fast 10.000 über Soll, und der Umsatz stimmt.

Es ist dann an diesem Morgen auch die Rede davon, aus einer Position der Stärke den Printverzicht anzugehen, viel mit der eigenen Leser- und Leserinnenschaft und den „taz“-Genossen gesprochen zu haben (letztere als eigentliche Eigner der „taz“, die das neue Digitalmodell absegnen mussten) und im Zuge von alldem auch keine Stellen abzubauen.

Dass sie die „wochentaz“ als Printzeitung beibehalten wird, begründet Barbara Junge damit, dass die Abos steigen und so noch einmal ganz andere Leser- und Leserinnen erreicht würden. Aber auch mit dem E-Paper bleibe die „taz“ eine Tageszeitung, ihre Seitenzahl reduziert sich digital gerade einmal um zwei, von 28 auf 26.

Alles eine Win-Win-Angelegenheit, wenn man den fünf aus der Leitungsebene so zuhört. „Seitenwende“ nennen sie es, was sie „lustig“ finden, haha, von wegen Zeitenwende. Was leider aber auch nach der „Seitenwechsel“-Buchmesse der rechten Verlage im November klingt.

Planungen laufen seit 2018

Was ein bisschen fehlt bei der Verkündigung dieser „Seitenwende“, die der einstige Geschäftsführer Karl-Heinz Ruch schon 2018 vorbereitet hatte: eine neuerliche Vision, wie man sich digital auch inhaltlich aufstellt, gerade in Zeiten des Rechtsrucks und des um sich greifenden Autoritarismus.

Eine dezidiert linke Tageszeitung, braucht es sie nicht dringender denn je? Dass Bundestagspräsidentin Julia Klöckner als Hufeisentheorie-Anhängerin die „taz“ mit dem rechtsextremen Portal „Nius“ vergleicht, ist der Leitung eine Erwähnung wert, aber eben nur vor dem Hintergrund, dass kurz danach die Verkäufe in die Höhe gingen.

Es wird sich etwas nackt anfühlen, wenn wir morgens ins Haus kommen und der Zeitungsstapel nicht mehr am Empfang liegt.

Barbara Junge, Chefredakteurin der „taz“

Als die Frage nach der Sentimentalität, den raschelnden Zeitungsseiten aufkommt, gesteht Ulrike Winkelmann, dass sie sich vor fünf, sechs Jahren diesen Abschied kaum hätte vorstellen können: „Inzwischen empfinde ich tatsächlich keine Wehmut mehr.“

Und Barbara Junge sagt: „Ich gehe davon aus, dass sich das etwas nackt anfühlen wird, wenn wir morgens ins Haus kommen und der Zeitungsstapel nicht mehr am Empfang liegt. Und wenn ich mir vorstelle, dass das bei allen Zeitungen der Fall sein wird: Daran muss man sich erstmal gewöhnen. Andererseits: Ich habe außer hier im ,taz‘-Haus schon lange keine Papierzeitung mehr in der Hand gehalten.“

Und war die gedruckte Zeitung nicht sowieso das Gefäß für alles Vergängliche? Morgen gibt es wieder eine neue, hieß es früher immer, und so geduldig das Papier, so schnell wurden darin auch Fische eingewickelt oder Kohleöfen mit angezündet. Selbst eigene Artikel aufheben half da wenig: Auch sie verschwinden aus persönlichen Archiven.

In den ersten Jahren sammelte ich meine gedruckten Texte noch in einem Ordner, es war die Zeit, in der freie Mitarbeiter noch „Belegexemplare“ bekamen. Dieser Ordner ist über mehrere Umzüge hinweg verloren gegangen. Das Internet jedoch vergisst nichts, und das digitale Archiv der „taz“ wird schon lange gut gepflegt. So konnte ich für diesen Text sogar das genaue Datum meiner ersten Veröffentlichung nennen.    

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