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„The Regime“ mit Kate Winslet: Die Operettendiktatorin
In der HBO-Serie „The Regime“ mutiert Kate Winslet zur paranoiden Herrscherin einer populistischen Autokratie. Dass sie bei allem Aberwitz an echte Tyrannen erinnert, ist gewollt.
Stand:
Die Skurrilität aristokratischer Marotten ist sagenhaft. Jahrhundertelanger Inzest auf Burgen voll Hofschranzen und Speichellecker lässt halt die hellsten Köpfe verschatten. Doch so verrückt wie Elena I., paranoide Herrscherin einer Operettendiktatur mit Amtssprache Oxford-Englisch, waren weder Windsors noch Grimaldis je zuvor.
Aus permanenter Angst vor „Sporen“ ruft sie den „Schlachter“ genannten Oberst vom Kampf gegen Oppositionelle ab, um auf Schritt und Tritt die Luftfeuchtigkeit im Palast zu messen. Und jener Herbert verrichtet in der HBO-Serie „Regime“ (Sky/Wow, sechs Folgen) seinen Hygienedienst so gewissenhaft, dass er zum Vertrauten der Kanzlerin wird. Mehr noch: Der Soldat beginnt die (auto)aggressive Mischung aus Heidi Klum und Imelda Marcos zu steuern.
Atme niemals in ihre Richtung, bleib ruhig, übergib dich nicht.
Die Palastmanagerin (Andrea Riseborough) in der Serie „The Regime“ zu Oberst Herbert.
Damit tischt uns „Succession“-Autor Will Tracy ein bildgewaltiges Politmärchen auf, das Jessica Hobbs („The Crown“) und Stephen Frears („Die Queen) ausstatten, als würde Wes Anderson Tim & Struppis Fantasie-Tyrannei Syldavien im Schloss Schönbrunn nacherzählen. Genau das nämlich haben sie zum Grand Budapest Hotel der Zarin und ihres Rasputin umdekoriert – so prächtig wie leblos. Vor allem aber: maximal durchgeknallt.
Zum Glück dürfen Kate Winslet und Matthias Schoenaerts ihre Figuren einer Realität zuordnen, in der es nicht nur CNN und Nato gibt, sondern seltene Erden oder chinesischen Einfluss. „The Regime“ mag ein Intrigantenstadl barocker Sitten und Kostüme sein – wenn die Serie 75 Jahre neoimperialistische Geopolitik als Boulevardkammerspiel mit Hugh Grant als Dissidenten nachstellt, hat uns HBO daher auch viel über den Populismus von heute zu sagen. Mehr kann eine Karikatur herrschender Verhältnisse nicht wollen.
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