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Kultur: Tierzucht: Biologische Wüsten

"Das ist echte Massentierhaltung", sagt Sigrun Neuwerth. Die Sprecherin des Verbraucherschutzministeriums hat sich vor einigen Jahren einmal eine Shrimpszucht in China angeschaut - und schüttelt sich noch heute.

"Das ist echte Massentierhaltung", sagt Sigrun Neuwerth. Die Sprecherin des Verbraucherschutzministeriums hat sich vor einigen Jahren einmal eine Shrimpszucht in China angeschaut - und schüttelt sich noch heute. Die Tiere lebten in drangvoller Enge in ihren eigenen Exkrementen, berichtet Ingo Bokermann, Meeresschutzexperte der Umweltschutzorganisation Greenpeace. Die Tiere könnten gar nicht gesund bleiben. Es sei also kein Wunder, dass große Mengen an Antibiotika in die Becken gekippt würden.

Das Antibiotikum Chloramphenicol ist zwar auch in den meisten Produzentenländern als Mastmittel verboten. Allerdings lässt sich dieses Verbot nicht durchsetzen. Bokermann sagt, in den meisten Ländern seien die Aquakulturen ein rechtsfreier Raum. Viele würden illegal angelegt. Die Besitzer seien oft nicht dingfest zu machen. Und an Richtlinien für die Produktion hielten sie sich erst recht nicht. Bokermann findet das Thema ziemlich hoffnungslos.

Heike Vesper, Fischereireferentin des World Wide Fund for Nature (WWF), ist ebenfalls etwas mutlos. "Die Aquakulturen sind auf ganzer Linie unökologisch", sagt sie. Leider gäbe es auch kein positives Gegenbeispiel. Dabei seien die Aquakulturen noch vor zehn Jahren als das Mittel gegen den Welthunger gepriesen worden. Und der WWF wäre froh, wenn über die Zucht der Druck von den Fischbeständen in den Weltmeeren genommen werden könnte.

Vesper und Bokermann berichten übereinstimmend von den verheerenden Produktionsbedingungen in der Shrimpszucht. In Ecuador werden sie überwiegend in den Mangrovenwäldern angelegt - selten legal. Mit den Mangroven verschwindet der natürliche Küstenschutz, Sturmfluten finden keine Hindernisse mehr vor und können viel größere Schäden anrichten.

Daneben haben die Mangroven weitere wichtige Funktionen im Naturkreislauf. Sie sind die Kinderstube vieler Fische und auch Garnelen. Ohne Mangroven kein Nachwuchs. Das schadet den Shrimpsfarmen sogar direkt. Denn dort laichen die Weibchen nur ein einziges Mal ab. Um die Farmen wieder aufzustocken, müssen immer wieder wilde Garnelen-Larven gefangen werden. Außerdem wirken die Mangrovenwälder als Schlammfilter. Sterben sie ab oder werden sie abgeholzt, zerstört der ausgeschwemmte Schlamm die vorgelagerten Korallenriffe. Ist das Gebiet erschöpft, ziehen die Shrimpsfarmen weiter. "Zurück bleibt eine biologische Wüste", sagt Bokermann.

Keine Lösung

In Lateinamerika bewegen sich die Aquakulturen stetig nach Norden. In Südostasien ziehen sie von der Küste ins Land. Der Grund ist nahe liegend. In den Reisfeldern gab es schon immer eine küstenferne Shrimpszucht. Allerdings wurden sie nicht für den Export erzeugt, und die Äcker hatten Zeit, sich zu erholen. Das ist inzwischen nicht mehr so. Am Ende einer Shrimpszucht bleibt ein Cocktail aus Salzwasser, Pestiziden und Antibiotika zurück, die ausdampfen und sich mit dem Wind weit über das Land verteilen. Das Brackwasser fließt ins Grundwasser, Brunnen versalzen. Wo eine Aquakultur war, wächst kein Reis mehr.

An eine politische Lösung für das Problem glauben weder Bokermann noch Vesper. Aber wer schon von Shrimps nicht lassen will, sollte besser Krabben aus der Nordsee kaufen, rät Bokermann. Denn wilde Garnelen würden in den Tropen mit Grundschleppnetzen gefangen. Sind die Fischer wieder weg, lebt in diesem Meeresabschnitt nichts mehr.

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