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Robert Habeck

© imago images/regios24

Kulturgeschichte mit Robert Habeck: Triell der anderen Art

Warum Umsturzprojekte wichtig bleiben: Robert Habeck diskutiert mit Herfried Münkler über Marx, Wagner und Nietzsche

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Dass man auf Gedanken „herumkauen“ oder auch „herumdenken“ kann, gehört zu den Lieblingsfloskeln von Robert Habeck. Er benutzt die Formulierung mehrmals an diesem Abend im Berliner Renaissance-Theater. Und das tut der Grünen-Vorsitzende dann auch: an Thesen anknüpfen, Ideen fortspinnen. Allerdings hat sein Auftritt mit dem Wahlkampf nur indirekt zu tun, denn es geht, zumindest vordergründig, 90 Minuten lang ums 19. Jahrhundert. Robert Habeck diskutiert mit Herfried Münkler über dessen Buch „Marx, Wagner, Nietzsche – die Welt im Umbruch“. Aber ist die Welt nicht sowieso immer im Umbruch, gerade ganz besonders?
Karl Marx, Richard Wagner und Friedrich Nietzsche: ein Triell der anderen Art. Getroffen haben sich aus der „nach Donnerhall klingenden Trias“ (Moderator Jens Bisky) nur Wagner und Nietzsche. Wobei die anfängliche Freundschaft, die wechselseitige Begeisterung im Zerwürfnis endete. Münkler von Haus aus Politologe, verknüpft die Lebenswege seiner Protagonisten zum Epochenpanorama. Hauptthese: Alle drei haben an bis heute fortwirkenden „Umsturzprojekten“ gearbeitet.

Gesamtkunst als Utopie

Marx als Klassenanalytiker und Klassenkämpfer, Wagner als Schöpfer einer utopischen Gesamtkunst, Nietzsche als großer Verneiner. Visionäre waren sie allesamt, als Prognostiker eher ungeeignet. 300 mal – so Bisky – haben Marx und Engels die unmittelbar bevorstehende kommunistische Revolution vorhergesagt. Vergebens. „Morgen geht es los, das sagen wir immer“, entgegnet Habeck grinsend.

Herfried Münkler

© Doris Spiekermann-Klaas TSP

Von der Real- wird zur Ideengeschichte gewechselt, die gescheiterte Revolution von 1849 und die ebenfalls gescheiterte Pariser Kommune kommt ebenso vor wie Wagners „Ring“ – ein Glanzstück in Münklers Darstellung – als subkutan gesellschaftskritischer Gegenentwurf zum „Kapital“ von Marx. Münkler streut Anekdoten, verdichtet Überlieferungen. Habeck, der sich in seiner Dissertation über „literarische Ästhetizität“ auch mit dem 19. Jahrhundert beschäftigt hat, ist trittsicher im Stoff. Münklers 700-Seiten-Buch hat er, eine schöne Story, im Wahlkampfbus gelesen, „im Licht meines Handys“.

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Bei Marx, Wagner und Nietzsche, schwärmt Habeck, gerate in Münklers Deutung „die Orthodoxie ins Schwingen“. Für einen Politiker sei das „ein toller Moment“. Dass programmatische Festlegungen zu „gesellschaftlichen Rückschlägen“ führen können, sieht er als Gefahr, auch bei einer „progressiven Bewegung“ wie den Grünen. Die industrielle Revolution des 19. ist für ihn das Gegenstück zur digitalen Revolution des 21. Jahrhunderts.Sorgen machen ihm Tech-Konzerne, von denen einige inzwischen mehr Macht als ganze Staaten besitzen. Ganz persönlich frage er sich aber auch, „was das mit uns macht“, wenn Freundschaften oder Liebesbegegnungen von Algorithmen organisiert werden.

Trümmer der Ideen

Die Diskussion kreist um Philosophie, Literatur und Musik, aber Abschweifungen ins Tagespolitische gehören dazu. Auch bei dem vom Westen verlorenen Krieg in Afghanistan greift Münkler zur Analogie: „Ähnlich wie die Aufrührer von 1849 stehen wir vor der Trümmern unserer Ideen“. Er ist unzufrieden mit dem amtierenden Außenminister und hofft auf Habeck als Nachfolger. Bisky hingegen setzt eher auf Habeck als Finanzminister. Abwarten. Erst einmal wird gewählt.

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