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Der irische Schriftsteller  Brendan Behan. Er starb im Alter von nur 41 Jahren am 20. März 1964 an Hepatitis und Diabetes.

© picture-alliance / dpa/Db London Express

Trinker, Dichter, Gott: Brendan Behans Erzählungen „Frau ohne Rang und Namen

Erzähler des eigenen Lebens: Der Wagenbach Verlag veröffentlicht eine Sammlung großartig verspielter Geschichten des irischen Schriftstellergenies

Wenn es im Jenseits einen Pub geben sollte, dann dürfte Brendan Behan dort auf jeden Fall seinen Stammplatz haben. Behan war ein maßloser Trinker vor dem Herrn, er widmete sich dieser Leidenschaft mehr als seinen Talenten, und von denen hatte ihm der liebe Gott ebenfalls einige mitgegeben.

Das größte bestand darin, Geschichten zu erzählen, meistens solche, die er selbst erlebt hatte. Sein kurzes Leben – am 9. Februar 1923 kam er zur Welt, bereits 41 Jahre später hatte er sich schon wieder aus ihr herausgesoffen – war nämlich von Anfang an turbulent.

Als er geboren wurde, flaute der irische Unabhängigkeitskrieg gerade ab, der Irische Freistaat war begründet. Allerdings gab es da noch die sechs Grafschaften in der Provinz Ulster, die beim Vereinigten Königreich verblieben – für Frieden sorgte das nicht. Die Familie Behan mischte in dieser politischen Gemengelage munter mit. Der Vater saß bei Brendans Geburt als IRA-Aktivist im Knast, sein Onkel hatte den Text der irischen Nationalhymne geschrieben. Die Behans waren arm wie Kirchenmäuse, aber literarisch sehr interessiert.

Am Freitag brüllte meine Wirtin, eine Irin, die Treppe herauf: ‚Ach Gott, ach Gott, Junge, da sind zwei Gentlemen, die dich sprechen wollen.‘“

Brendan Behan in jungen Jahren

All das färbte auf den Junior ab, das Kämpferische, Ärmliche und Poetische. Schon mit 16 sollte er in Liverpool einen Sprengstoffanschlag vorbereiten, es kam jedoch anders: „Am Freitag brüllte meine Wirtin, eine Irin, die Treppe herauf: ‚Ach Gott, ach Gott, Junge, da sind zwei Gentlemen, die dich sprechen wollen.‘ An ihrem Gekreisch erkannte ich sofort, dass die beiden sich weder nach meinem Befinden erkundigen noch erfahren wollten, ob ich eine angenehme Reise gehabt hatte. Ich griff nach meinem Koffer mit der Sinn Féin Verschwörerausrüstung: Kaliumchlorid, Schwefelsäure, Gelatinedynamit und Zündersprengkapseln, und trug ihn zum Fenster. Da kamen die Gentlemen auch schon hereinspaziert.“ Polizei natürlich.

Da ist er also, der Erzähler des eigenen Lebens. Behan schildert seinen missglückten Start als Attentäter in einer Geschichte mit dem anspielungsreichen Titel „Wiedersehen mit Bridewell“, die gerade aus Anlass seines 100. in einem Band mit kurzer Prosa erschienen ist: „Frau ohne Rang und Namen“, herausgegeben und übersetzt von Hans Christian Oeser.

Darin ist der musikalisch-schnoddrige, warme, verschmitzte und durchaus auch ungehobelte Ton zu hören, der ihn berühmt machen sollte. „Borstal Boy“, sein autobiographischer Roman über die Jahre in einer Besserungsanstalt, vor allem aber die Dramen „The Quare Fellow“ und „Die Geisel“ setzten Behan in den 1950er Jahren auf die literarische Landkarte Irlands, direkt neben O’Casey, Joyce und Beckett. Letzteren hatte er übrigens in Paris kennengelernt bzw. aufgelauert – Behan hatte im späteren Nobelpreisträger einen der wenigen originellen irischen Autoren der Zeit erkannt.

Beckett empfing ihn freundlich und machte ihm Mut, ahnte allerdings damals schon, dass Behan bei seinem Alkoholkonsum sein nächstes Lebensjahrzehnt kaum erreichen dürfte. Recht hatte er. Als seine geschundene Leber 1964 nicht mehr wollte, hinterließ Behan Frau und Kind und wahrscheinlich auch ein paar unerfüllte Lieben, denn es gab, was sich in der Erzählung „Nach der Totenwache“ vorsichtig offenbart, eine versteckte homoerotische Seite im Leben dieses widersprüchlichen Mannes.

Er sei ein Säufer mit Schreibproblemen, hat Behan einmal von sich gesagt. Wenn man sich die nun erschienenen Erzählungen in „Frau ohne Rang und Namen“ anschaut, dann weiß man, was das bedeuten könnte: Es sind großartige Texte, das literarische Potential dieses Autors ist immens, aber es wurde nie ganz ausgeschöpft. Ein Drink sei zu viel für ihn, meinte er einmal, tausend aber zu wenig. Der Alkohol spielt auch in den Geschichten eine prägnante Rolle, in der eindrucksvollen, zwiespältigen Erzählung „Die Hinrichtung“ etwa, in der es um die Exekution eines Verräters durch seine IRA-Kameraden geht.

Bevor die Tat ausgeführt wird, macht man noch Halt an einem Pub, und der Text wird zu einer Parabel: Persönliches, Mitleid, Verständnis dürfen bei aller Ambiguität die Konsequenz militärischen Handelns nicht überwiegen, sagt uns die Geschichte, zumindest vordergründig. Hans Christian Oeser, der die Erzählungen hervorragend kommentiert hat, weist darauf hin, dass der Ton der „Hinrichtung“ sehr viel karger und konzentrierter ist, fast eine Hemingwaysche Lakonie aufweist.

In der Tat zeichnet andere Geschichten eine fulminante Verspieltheit aus: Groteske Kindheitserinnerungen aus dem proletarischen Dublin der 1920er, Schnorren aus der Untersuchungshaft, das Fragment eines Gesellschaftsromans – all das glänzt durch Wortwitz und Sarkasmus, in dem aber auch eine Innigkeit und Zärtlichkeit für die Figuren zu spüren ist. Und große Sensibilität für erzählerischen Rhythmus.

Manchmal klingt das fast so, als würde Behan in einem Pub sitzend die Runde mit seinen Geschichten unterhalten. Wollen wir hoffen, dass für ihn in irgendeiner Kneipe da oben ein Platz reserviert war.

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