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Kultur: Triumph des alten Mannes

KLASSIK

Unerklärlich, wie die Berliner Philharmoniker Sir Charles Mackerras so lange übersehen konnten: 79 Jahre ist der Australier inzwischen alt, gilt längst als einer der großen Dirigenten der Welt – und stand dennoch noch nie am Pult des Eliteorchesters. Doch in der Philharmonie genügen ihm schon die knapp fünf Minuten von Janáceks „Eifersucht“-Ouvertüre, um klarzustellen, dass die Einladung zwar spät, aber nicht zu spät gekommen ist (noch einmal heute, 20 Uhr). Auf Anhieb ist der spezifische Janácek-Klang da, keinen Moment ist das heikle Gleichgewicht aus feinnerviger, kleinteiliger Gespanntheit und schicksalhaftem Gefühlsstrom in Gefahr, jede Stimme gewinnt pulsierendes Eigenleben und fügt sich doch organisch in die Verlaufskurve. Mackerras hat das Dirigieren noch bei den tschechischen Dirigentenikonen Vaclav Talich und Karel Ancerl gelernt – bei den Philharmonikern gelingt ihm die Verschmelzung aus Tradition und modernem Orchesterklang: Die Konturen in Janáceks Sinfonietta blitzen scharfkantig auf, der Ton hat dunklen Kern, während sich in Dvoráks Variationen der solistische Spieltrieb der hellwachen Philharmoniker zu einer prächtigen Klangfarbenschau aufaddiert. Und als wäre das noch nicht genug, zeigt Mackerras, dass auch Mozart bei ihm gut aufgehoben ist: Straff und glanzvoll ist der Rahmen, den er für das Es-Dur Klavierkonzert schafft. Mitsuko Uchida füllt ihn mit schwerelosem Seelenton. Und Mackerras kommt hoffentlich bald wieder.

Jörg Königsdorf

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