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Der Schriftsteller Truman Capote, 1924 -1984

© Jack Mitchell/Wikipedia

Truman Capote und Harper Lee: Greg Neri erzählt in "Tru & Nelle" die Geschichte einer Freundschaft

Frühstück erst in Monroe, Alabama und später bei Tiffany: Greg Neri erzählt, wie die Schriftsteller Truman Capote und Nelle Harper Lee aufwuchsen.

Wer sich nur den rot leuchtenden Titel mit den beiden kurzen Namen auf dem wunderschön gezeichneten Cover dieses Buches anschaut, wird sich zunächst nicht so viel dabei denken: „Tru & Nelle“? Nun denn, wer immer das sein mag. Dass der Name des Autors darunter viel kleiner, dezenter geschrieben ist, G. Neri, könnte damit zu tun haben, dass sich der amerikanische Kinder- und Jugendbuchautor Greg Neri in einer gewissen Bescheidenheit übt.

Denn in seinem Buch (Aus dem Englischen von Sylvia Bieker und Henriette Zeltner. Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 2020.280 Seiten, 18 €.) erzählt er die Geschichte der Freundschaft zweier Giganten der US-Gegenwartsliteratur des 20. Jahrhunderts: der von der 2016 verstorbenen Schriftstellerin Harper Lee, die mit ihrem einzigen Roman „Wer die Nachtigall stört“ zu Weltruhm gelangte (kurz vor ihrem Tod erschien 2015 ein zweiter, den sie schon vor ihrem Debüt geschrieben hatte), und ihres ungleich fleißigeren Kollegen Truman Capote, der sich unter anderem mit der Erzählung „Frühstück bei Tiffany“ einen Namen machte und 1984 im Alter von knapp 60 Jahren starb.

Beide wuchsen in einer kleinen Stadt in Alabama auf, in Monroeville, und befreundeten sich, nachdem die Eltern des 1924 in New Orleans geborenen Truman entschieden hatten, sich zu trennen und ihn zunächst bei seinen Großeltern unterzubringen. Hier wohnt der kleine Tru mit Großcousins und Großcousinen in einem großen, weitläufigen Haus, auf einer „Insel der Merkwürdigen“, wie es bei Neri heißt.

Und hier lernt er, da ist er acht Jahre alt, die zwei Jahre jüngere Nelle kennen, die gegenüber wohnt. Ihre Mutter ist psychisch krank, der Vater Anwalt.

1934 muss Capote zu seiner Mutter nach New York City

Neri konzentriert sich auf die kurze Zeit, in der ihre Freundschaft sich zu entwickeln beginnt, bevor Truman von seiner Mutter 1934 nach New York geholt wird, weil sie sich wieder verheiratet hat. Neri erzählt, wie beide sich allein deshalb zueinander hingezogen fühlen, weil sie etwas seltsam sind: Nelle eine Idee zu burschikos für ein Mädchen, Truman mehrere Ideen zu elegant für ein Südstaatenstädtchen mit seinen weißen Anzügen, ein Junge, der von allen behandelt wird „wie ein empfindsamer blaublütiger Prinz“.

Und Neri erzählt weiter, wie sie beide sich zu den Wörtern hingezogen fühlen, zu Geschichten, insbesondere den Sherlock-Holmes-Detektivgeschichten von Arthur Conan Doyle. Und wie sie beide dann selbst versuchen, einen Fall zu lösen, nämlich den eines Einbruchs in einen kleinen Drugstore und der damit im Zusammenhang stehenden Zerstörung der Eingangstür der örtlichen Schule.

Natürlich hat Neri die Biografien über seine Hauptfiguren gelesen, hat er Philip Seymour Hoffman als Capote-Darsteller gesehen, hat recherchiert und mit Menschen gesprochen, die beide noch kannten; und doch ist seine Geschichte explizit keine weitere Biografie, kein erzählendes Sachbuch, sondern ein Jugendroman, der auf Tatsachen basiert, sich aber wie eine eigene, besondere Geschichte liest.

Tatsächlich dominiert ein heiterer, lockerer Ton, wirken die Erzählung, die Abenteuer von Tru und Nelle in Monroeville schön ungezwungen, bei aller Tragik, die dahintersteckt. Denn natürlich ist es für ein Mädchen in Nelles Alter nicht leicht, eine psychisch kranke Mutter zu haben. Oder für einen Jungen, von seinen Eltern bei anderen Verwandten abgeliefert und immer wieder enttäuscht zu werden.

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Doch Greg Neri geht es auch um die politisch-gesellschaftliche Stimmung jener Zeit, um den Rassismus in den Südstaaten lange vor der Bürgerrechtsbewegung und wie all das auf die in diesem Fall weißen Kinder einwirkt.

Die Ku-Klux-Klan-Szenen mit den Männern, die weiße Kutten und spitze Kapuzen tragen, sind von Neri gleichermaßen stimmig wie gruselig in Szene gesetzt worden: „Trumans Blick wanderte nach oben, und er bemerkte, dass alle Äste abgeschnitten waren, außer zwei großen, die sich wie Arme in die Dunkelheit streckten. Für Truman wirkte das wie ein Kreuz. Doch etwas anderes war noch merkwürdiger. Er blinzelte in die Dunkelheit und als sich seine Augen wieder darauf eingestellt hatten, sah er, dass um beide Äste weiße Tücher gewickelt waren.“

Harper Lee war zunächst viel erfolgreicher als er

Das Glossar am Ende des Buches ist vor diesem Hintergrund hilfreich, das junge Lesepublikum im Alter von Tru und Nelle dürfte in der Regel nicht wissen, was es mit dem Ku-Klux-Klan auf sich hat. Auch die Erklärungen Neris in seinen Anmerkungen sind konstruktiv. Darin erzählt er beispielsweise kurz, wie die Geschichte der Freundschaft von Truman Capote und Nelle Harper Lee weitergegangen ist, insbesondere als sie zunächst erfolgreicher geworden war als er. Oder Capote ihre Mitarbeit an seinem Tatsachenroman „Kaltblütig“ meinte unterspielen zu müssen.

Bisweilen hat man den Eindruck, dass Neri der Zeit vorausgreift, sich sein enzyklopädisches Capote-und-Harper-Lee- Wissen in seine Prosa geschlichen hat, er den kleinen Truman schon darstellt wie den späteren Exzentriker. Oder als Nelle sagt, dass sie sich nach Trus Abreise nach New York immer Geschichten schicken sollten und er der „Knüller von New York“ werde, ja, er „mit allen Leuten, die irgendwie bedeutend sind, auf große Kostümfeste gehen und ständig auf den Gesellschaftszeiten der Zeitung auftauchen“ werde.

Das konnte die kleine Nelle natürlich nicht ahnen. Genauso wenig wie die hoffentlich vielen jungen Leser und Leserinnen dieses charmanten, liebenswerten Buches ahnen, dass sie womöglich eines Tages das Werk von Capote oder „Wer die Nachtigall stört“ entdecken und lesen werden. Zu wünschen wäre es.

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