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Die Village People 2017 bei einem Auftritt in Bristol.

© IMAGO/Wirestock

Trump und der Song „Y.M.C.A.“: Umwertung einer Schwulenhymne

Einst ein Markenzeichen der Schwulenbewegung der achtziger Jahre, jetzt Trumps höchst offizieller Lieblingssong: Die Village People spielen ihr „Y.M.C.A.“ vor Trumps Inauguration auf der Victory Rally.

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Hier wächst zusammen, was nie zusammengehörte, nach Jahrzehnten aber unbedingt zusammengehören will. Hier die Casting-Band Village People mit ihrem Disco-Song „Y.M.C.A.“ aus dem Jahr 1978, Auftaktstück ihres Albums „Cruisin“, einst Hymne der Schwulenbewegung weit über das New Yorker Greenwich Village hinaus und als solche konzipiert: Die Bandmitglieder spielten als Polizist, Indigener, Bauarbeiter, Rocker, Cowboy und Soldat stereotyp maskuline Rollen, um sie solcherart zu dekonstruieren.  

Und dort der designierte US-Präsident Donald Trump, der das Lied zu seinem Lieblingsstück erklärt und dazu auch auf Wahlkampfveranstaltungen getanzt hat, so wie er es in seinem Alter vermag, schon als Trump-Tanz in die Geschichtsbücher eingegangen und zum Trend bei Sportveranstaltungen geworden.

Die Village People werden einen Tag vor der eigentlichen Inauguration am Sonntag bei der „Make America Great Again Victors Rally“ in der Washingtoner Capitol One Arena auftreten, zusammen mit dem Vater von Miley Cyrus, dem Country-Sänger Billie Ray Cyrus, und natürlich Kid Rock.

Als 2020 die „M.A.G.A.“-Bewegung das Village-People-Stück für sich entdeckte, sah es lange nicht danach aus, als sei die Band damit einverstanden. Geschrieben wurde der Song in Teilen von Victor Willis, bis 1984 einer der Sänger von Village People und auf seine alten Tage abermals Mitglied (der Polizist), das einzige aus der Originalbesetzung.

Willis hatte den inzwischen verstorbenen, für Konzept und Sound der Band verantwortlichen französischen Produzenten Henri Belolo und Jaques Morali hauptamtlich beim Songschreiben geholfen.

Nach anfänglichen Bedenken hat Willis inzwischen einen Gesinnungswandel vollzogen. Er spricht jetzt davon, dass es eine fehlgehende Interpretation sei, der Song stehe nicht für die Beziehungen queerer Menschen. Außerdem werde Musik „ohne Rücksicht auf Politik“ gemacht; „Y.M.C.A.“ sei eine globale Hymne, die „hoffentlich dazu beiträgt, das Land nach einem turbulenten und gespaltenen Wahlkampf, in dem unsere bevorzugte Kandidatin verloren hat, zusammenzuführen“.

Die Verwertungsmechanismen von Pop

Das ist nur die eine Seite seines Gesinnungswandels, wobei Willis stets darauf bedacht ist, seine Kern-Community nicht allzu sehr zu vergrätzen („unsere bevorzugte Kandidatin“). Die andere hat mit Geld zu tun.

Seit Trump sich die Lizenz für den Song besorgt hat, auch weil Willis die für die Rechte zuständige Organisation BMI kontaktiert und ihr empfohlen hatte, Trump den Song zu erlauben („He seemed to be bringing so much joy to the american people with this use of ,Y.M.C.A’“, „Er schien den Amerikanern mit der Verwendung von ,Y.M.C.A’ so viel Freude zu bereiten“), ist das Village-People-Stück erneut ein gigantischer, millionenfach gestreamter Hit geworden. Die Tantiemen dafür kommen natürlich auch Willis zugute.

Grämen muss sich letztendlich niemand über die Umwertung diese Songs. So funktionieren nun einmal die per se kapitalistischen Verwertungsmechanismen des Pop. Und gegen die fremdbestimmte Eigendynamik eines Popsongs mit relativ frei interpretierbaren Lyrics ist sowieso nur schwer anzukommen.

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