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Ullstein Verlag verzichtet auf J.D. Vances „Hillbilly-Elegie“: Politisch überkorrekter Gehorsam
Der Ullstein Verlag geht auf Distanz zu Trumps Vizepräsidentschaftskandidaten. Er will dessen Buch „Hillbilly-Elegie“ nicht mehr veröffentlichen. Warum bloß?

Stand:
Auf der Website des Berliner Ullstein Verlags taucht schon eine Fehlermeldung auf, gibt man dort den Namen J. D. Vance ein. Keine Spur mehr von der „Hillbilly-Elegie“, die der Verlag 2017 in einer Übersetzung des Schriftstellers Gregor Hens in Deutschland veröffentlicht hat, keine Spur mehr von Vance, der inzwischen bekanntlich in ganz anderen Sphären unterwegs ist.
Ullstein druckt, wie der „Spiegel“ vermeldete, keine Auflagen mehr von dem lange vergriffenen Buch und hat die Rechte auslaufen lassen; der Münchener Verlag Yes Publishing hat sie sich schon gesichert und bringt „Hillbilly-Elegie“ Mitte August wieder heraus.
Das Vorgehen von Ullstein ist doch mehr als irritierend und ein Akt des vorauseilenden politisch überkorrekten Gehorsams.
Trumps Kettenhund
Denn natürlich kann kaum jemand wollen, dass Donald Trump erneut Präsident der USA wird und J. D. Vance dann sein Vizepräsident. Und natürlich hat Vance eine ziemliche Wandlung vollzogen, von einem, der sich von Trump zumindest zu distanzieren wusste, hin zu seinem Kettenhund.
Nur steht das Buch, das er in der Zeit vor Trumps Kandidatur und anschließender Wahl schrieb (und dessen Name darin nicht fällt), doch sehr für sich selbst. „Hillbilly-Elegie“ ist eine Überlebens- und Aufsteigergeschichte. Vance hat darin durchaus überzeugend skizziert, „was im Leben der Armen vor sich geht, welche psychologische Wirkung diese geistige und materielle Armut auf ihre Kinder hat.“
Man kann in dem Buch, bei aller ihm innewohnenden vorübergehenden Schlichtheit, in Zügen ein Psycho- und Soziogramm eines nicht geringen Teils der späteren und sicher auch heutigen Trump-Wählerschaft erkennen.
Was der zur schwedischen Verlagsgruppe Bonnier gehörende Ullstein Verlag gleichfalls so sieht, als er dem „Spiegel“ mitteilte, dass „das Buch einen wertvollen Beitrag zum Verständnis des Auseinanderdriftens der US-Gesellschaft“ geliefert habe. Aber: Inzwischen agiere Vance „offiziell“ an der Seite von Donald Trump und vertrete „eine aggressiv-demagogische, ausgrenzende Politik.“
Dem Tagesspiegel gegenüber erklärte der Verlag, dass die Entscheidung, die Rechte auslaufen zu lassen, „lange vor der Nominierung“ von Vance als Vizepräsidentschaftskandidat für Trump gefallen sei. Und: „Wir haben uns vergangene Woche schlicht dagegen entschieden, aufgrund der zeitweilig erhöhten Nachfrage nach dem Buch die Rechte unsererseits zu verlängern und aus wirtschaftlichen Erwägungen nachzudrucken.“
Das klingt etwas schwammig und nicht nach „einem ganz normalen Verlagsprozess.“ Hier die Beurteilung von Vance, dort der Verzicht auf möglichen Umsatz, so wird aus eins und eins eben doch zwei. Es ist natürlich das Recht eines jeden Verlags, einen ihn politisch missliebigen Autor nicht zu veröffentlichen. Trotzdem scheinen hier der moralische Zeigefinger und die Demonstration der richtigen politischen Gesinnung eine gewisse Rolle gespielt zu haben und ökonomische Spielregeln hinten angestellt worden zu sein.
J.D. Vances Lebenserzählung bleibt nach wie vor eine aufschlussreiche – auch in der Konsequenz seines späteren Wandels, der nicht zuletzt eine stellvertretende Funktion haben dürfte.
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