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Kultur: Unbesiegbar

Hymnen und Eruptionen: Alabama Shakes im Magnet.

Von Jörg Wunder

In ein paar Jahren wird man neidische Blicke auf sich ziehen, wenn man bei Kneipengesprächen lässig hinwirft: „Ich hab die Alabama Shakes damals im Magnet Club gesehen.“ Denn der fantastische Auftritt vor vielleicht 400 Zuschauern in dem seit Wochen ausverkauften Laden lässt keinen Zweifel zu: Diese Band muss groß und berühmt werden, sonst gibt es in der Welt keine Gerechtigkeit mehr. Die Alabama Shakes kommen aus Athens in, natürlich, Alabama. Vier weiße, eher unauffällige Jungs an den üblichen Rockbandinstrumenten und ein farbiges, sehr auffälliges Mädchen am Mikrofon und an der elektrischen Gitarre: Brittany Howard war Briefträgerin, aber das kann sie jetzt vergessen. Sie ist eine Sängerin, wie sie nur alle paar Jahre mal auftaucht. Vergleiche zu Janis Joplin, Aretha Franklin, Otis Redding werden bemüht, und ja, das ist tatsächlich alles drin in dieser ein Spektrum von zartestem Gesäusel bis zu infernalischem Gebrüll abdeckenden Stimme. Es ist faszinierend zu beobachten, wie sie sich ihrer Fähigkeiten gerade erst bewusst zu werden scheint: Hier ist noch alles im Werden, nichts trainiert oder gebändigt. Alles Drängen, alles Wollen wird als emotionale Eruption herausgeschleudert aus diesem massigen Körper, während sie auf schmalen blauen Espandrillos graziös herumtänzelt. Dazu, und das macht die Sache noch unfassbarer, spielt Brittany Howard eine verflucht coole Gitarre, mal lässig gedämpfte Licks wie Chuck Berry, mal melodiös funkelnde Soli wie John Fogerty.

Es gab hier und da Gemecker, die Songs der Alabama Shakes, die sich bis vor kurzem noch als Cover-Kapelle verdingt haben, wären nicht originell genug. Unfug! Klar, sie bewegen sich innerhalb der klassischen Pop-Koordinaten des amerikanischen Südens. Doch mit welcher Souveränität sie aus diesem Pool lodernde Soul-Hymnen wie „Hold On“ und „Be Mine“, scheppernde Southern-RockBrecher wie „I Found You“, ungestümen Rock’n’Roll wie „Heavy Chevy“ oder gefühlstiefe Balladen wie „I Ain’t Alone“ destillieren, ist schon jetzt überaus beeindruckend. „Mit ihnen fühle ich mich unbesiegbar“, hat Brittany Howard in einem Interview über ihre Jungs gesagt. Wenn sie sich nach einer guten Stunde, völlig durchgeschwitzt, aber bis über beide Ohren strahlend, vom einem restlos begeisterten Publikum verabschiedet, glaubt man ihr das aufs Wort. Jörg Wunder

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