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Kultur: Unbeständig und kühl

Im Kino: Nicholas Cage ist „The Weather Man“

Kalt, nass und windig ist es im herbstlichen Chicago. Kein Sonnenstrahl durchdringt die Wolkendecke über der Stadt. Frustrierte Bürger werfen aus fahrenden Autos mit Fast Food nach dem Wetteransager des örtlichen Fernsehsenders: David Spritz ist nicht einmal selbst Meteorologe, er präsentiert lediglich mit ausladenden Armbewegungen und verständnisheischendem Lächeln die miesen, aber zutreffenden Voraussagen. Dafür lässt er sich zweimal am Tag im Studio blicken, wird gut bezahlt und fühlt sich schlecht.

Nicholas Cage spielt den „Weather Man“: einen Mann in der Krise, die weder dramatisch noch spektakulär ist – und das ist vielleicht das Unerträglichste daran. Mit jeder Geste, jedem Schritt bringt Cage das Unbehagen zum Ausdruck, das David Spritz erfasst hat. So gelingt es ihm, einen durchschnittlich neurotischen, unauffälligen Mittvierziger als Gejagten seiner noch nicht einmal behandlungsbedürftigen Ängste erscheinen zu lassen, als apathisches, aber gepeinigtes Opfer von Unterlegenheitsgefühlen. Jedes Lächeln wirkt verkrampft, jede Gefühlsäußerung künstlich und selbst der Zusammenbruch pathetisch.

Als Vater, Sohn und Ehemann fühlt sich Spritz gleichermaßen unzulänglich, und das hat seine Gründe. Dabei ist er nicht einmal im landläufigen Sinn gescheitert, nur geschieden; seine Kinder, Teenager, sind nicht unwirscher oder missratener als andere. Dass sein Vater ihn für einen intellektuellen Versager hält, sprengt ebenfalls nicht den Rahmen üblicher Eltern-Enttäuschung, auch wenn die stumpfe Kälte zwischen Vater und Sohn eine schwer wiegende Ursache zu haben scheint. Enttäuschung prägt auch die Beziehung zwischen David und seiner Ex-Frau. Zwar versuchen die beiden, in einer Paartherapie wieder Vertrauen zueinander aufzubauen, aber dafür ist es längst zu spät.

„The Weather Man“ ist ein kühler, protokollarischer Film, der eine merkwürdige Distanz zu seinem unglückseligen Helden bewahrt, obwohl er dessen Perspektive einnimmt. Blau und Grau sind die beherrschenden Farben des Films, die Fassaden der eindrucksvollen Chicagoer Architektur sind abweisend, die Interieurs unpersönlich: Metaphern für die Unbehaustheit der Menschen. Oft sitzt David bei strömendem Regen im Auto, das er vor dem Haus seiner geschiedenen Frau geparkt hat. Sogar seine verzweifelten Anstrengungen, sie zurückzugewinnen, lassen sie kalt, denn sie spürt, dass sie nicht wirklich gemeint ist.

Michael Caine als Davids Vater spielt die zweite Hauptrolle, auch er absolviert eine darstellerische Tour de Force: Seine Missbilligung Davids changiert zwischen Verachtung und Desinteresse, seine höfliche Kühle hält er für die angemessene Strategie, sich Emotionen zu versagen. Auch mit denen der anderen will er nichts zu tun haben. Selbst als er an Krebs erkrankt, erlaubt er sich keinen Moment der Schwäche. David wirbt hartnäckig und vergeblich um die Zuneigung oder wenigstens Zuwendung des Vaters. Dass jener sterben wird, ohne sie zu gewähren, ist die bitterste Gewissheit, die Michael Caine mit seinem präzisen, abgeklärten Spiel vermittelt.

Gore Verbinski hat den etwas flauen Film „The Mexican“ (2001) mit Julia Roberts und Brad Pitt gedreht sowie den opulenten, hysterischen „Fluch der Karibik“ (2003) mit Johnny Depp, an dessen Sequel er jetzt arbeitet. Beides waren Action-Filme, in denen romantische Abenteurer an exotischen Schauplätzen mit der Liebe und dem Tod kämpfen. David Spritz kämpft gegen sich selbst. Was vielleicht das größte Abenteuer ist.

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