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Omer Meir Wellber

© Felix Broede

RSB im Konzerthaus: Unter Strom

Ein feuriger Dirigent, ein inspirationsloser Pianist und ein souveränes Orchester. Das Rundfunk-Sinfonieorchester spielt Tschaikowsky im Konzerthaus Berlin.

Wenn Peter Tschaikowsky seine symphonische Dichtung „Manfred“ op. 58, die er zunächst für sein bestes Werk hielt, später „abstoßend“, ja „abscheulich“ nannte, dann dürfte die pathosumflorte Orgelpassage, die plötzlich und ankündigungsfrei dem Finale ihren Stempel aufdrücken will, daran nicht schuldlos gewesen sein. Die Orgel hätte es wirklich nicht gebraucht, das Stück platzt auch so schon vor Überschwang und Einfällen. Sie gießen Manfreds Verzweiflung – er gibt sich die Schuld am Tod von Astarte, seiner Geliebten, Schwester oder Tochter, da bleibt die Vorlage von Lord Byron uneindeutig – in Klang, durchfurcht von einer Berlioz’schen idée fixe.

Omer Meir Wellber am Pult des Rundfunk-Sinfonieorchesters scheint die Energieströme der Musik im Konzerthaus physisch abbilden zu wollen. Er zuckt, er tänzelt, hat die Arme überall, dirigiert weit ausgreifend. Ein Stil, den man auch als hektisch empfinden kann, aber er ist auf jeden Fall befeuernd. Und dabei immer kleinteilig gedacht. Das Orchester, in langen Janowski-Jahren auf Präzision getrimmt, fängt alles souverän ab, was vom Dirigenten an Impulsen zu viel ausgeht.

Zwar gut geölt, aber inspirationslos

Davide Cabassi, ein in Berlin weitgehend unbekannter Pianist, hätte vor der Pause ein bisschen Überschwang gutgetan. Beethovens fünftes und letztes Klavierkonzert Es-Dur spielt er dicksoßig, mit deutlich mehr Interesse am stimmigen Gesamtbild als an Details und Brüchen. Ein zwar gut geöltes, aber inspirationsloses Abschnurren von Tönen, ziemlich autonom, ohne große Kommunikation mit dem Orchester und mit einer seltsam zahnlosen attaca im Übergang zum Rondo des Finalsatzes. Zum Glück sorgen das RSB und Wellber für Power und Trennschärfe. Und zeigen nachvollziehbar, wie dieses Klavierkonzert, auf dem Höhepunkt von Beethovens Schaffensjahrzehnt von 1804 bis 1814 entstanden, schon eine individualitätsversessene Romantik ahnen lässt, wie sie dann unter anderem in Tschaikowskys „Manfred“ einen Ausdruck findet.

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