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Duftendes Meer. Lavendelfeld in der Provence. Im Juli ist Blütezeit.

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Literaturtipps für die Sommerferien (2): Vive la Provence

Ein Urlaub ohne Lektüre wäre keiner. Doch welche Titel kommen ins Gepäck? Neue Reisebekanntschaften - und alte Bekannte

In Roussillon versteckte sich Samuel Beckett während des Zweiten Weltkriegs. Er half den Bauern auf dem Feld und arbeitete an seinem Roman „Watt“. Der Ire war bei der Résistance. In „Warten auf Godot“ wird der Ort erwähnt, und in diesem Licht erscheint das Stück recht klar: Wladimir und Estragon sind auf der Flucht und sehnen den Schleuser herbei, der sie über die Grenze bringt.

Nur wenige Kilometer entfernt, ebenso malerisch auf einem Hügel, liegt das Dorf Lacoste mit dem Chateau des Marquis de Sade. Hierhin zog er sich zurück, wenn die literarisch-politischen Skandale in Paris für ihn zu heiß wurden. Das Departement Vaucluse in Südfrankreich ist eine belesene Gegend. In Fontaine de Vaucluse lebte der italienische Kirchenmann Francesco Petrarca.

Mit ihm verbinden sich zwei Pioniertaten des Humanismus, die von einer äußerst zähen Konstitution und einer zum Wahnsinn tendierenden Leidenschaft zeugen: Seiner angebeteten und anderweitig verheirateten Laura schrieb er über zwanzig Jahre lang Sonnette. Er gilt als Erfinder dieser Gedichtform – und als Erster, der auf einen hohen Berg kletterte, um mal zu sehen, was dort oben in zweitausend Meter Höhe zu erleben war. Sein Bericht vom Mont Ventoux, datiert auf das Jahr 1337, dürfte heute noch Fans der Tour de France begeistern. In Lourmarin schließlich liegt Albert Camus begraben.

Die Verse klingen gut bei einer Flasche Rosé

Die Namen wiegen schwer. Zwei Nobelpreisträger sind darunter, und auch de Sade ist nicht unbedingt die ganz leichte Urlaubslektüre. Petrarcas Liebesseufzer: nun, vielleicht am Abend, wenn es abkühlt, vorzutragen beim Wogen der Zikaden und einer Flasche Rosé.

Es gibt eine Menge Landschaftskrimis über die Provence, mit Lavendel-Morden und verfressenen Ermittlern. Aber es ist Jean Giono, dessen Name sich am tiefsten mit diesem Teil Europas verbindet. Geboren 1895 in Manosque, gestorben 1970 in Manosque, in der Haute-Provence. Der Matthes & Seitz Verlag hat sich um Gionos Werk verdient gemacht. Sein „Deserteur“ erschien in der Bibliothek Suhrkamp, und es gibt einiges noch im Taschenbuch von diesem bei uns doch ziemlich Unbekannten. Kraftvolle Erzählungen von Mensch und harter Natur: Die Tiraden dieses angenehm gestrigen Schriftstellers gegen den Tourismus und die Industrialisierung der Landwirschaft klingen jetzt wieder wie Fortschritt. Giono pflegt eine Nostalgie, die den Reisenden heute – mehr oder weniger eingestanden – entgegenkommt. Über die Provence schreibt er: „Die Qualität dieses Landes besteht in den Eigenschaften des Lichts. Je nachdem, wie die Zeit auf der Reise voranschreitet, lässt man ein rosiges Dorf hinter sich, um gleich darauf ein weißes anzutreffen, und verlässt man das weiße, so ist das nächste blau.“ Roussillon, Lacoste, Goult ...

Jean Giono übersetzte "Moby Dick"

Als einen furchtbar sturen Typen stelle ich ihn mir vor, ganz und gar unberechenbar. Er war militanter Pazifist und letztlich doch nicht so ein Landgraf, als den Sartre ihn titulierte. Giono übersetzte „Moby Dick“ und schrieb eine zauberhafte Fantasie über Herman Melville, „Melville zum Gruß“. In dem Roman „Die große Meeresstille“ träumt er sich auf große Fahrt über den Atlantik, und bei diesem Buch fragt man sich schon, welche irren Drogen es damals gab in Manosque, das er nicht oft verließ. Man kann dort das Centre Jean Giono besuchen und eine „promenade litteraire“ auf seinen Spuren unternehmen. „Jean der Träumer“, so heißt seine Autobiografie. Sie macht neidisch über die Zeiten und Länder hinweg, so glücklich umfangen von Land und Familie ist hier einer im schwierigsten Alter, der Adoleszenz. Dann muss der Sohn eines Schuhmachers in den Ersten Weltkrieg. 1920 kommt er schwer verwundet nach Hause und schreibt seinen ersten schmalen Roman über das größte Epos, „Die Geburt der Odyssee“. Darin verschmilzt der mediterrane Süden zu einer einzigen Welt.

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