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Vom Kurvenstar in Rafael Horzons Möbelladen: Das Ende der Popliteratur?
Am Wochenende hat der schwerkranke Schriftsteller Joachim Lottmann mal wieder in Berlin gelesen. Dabei hat sich ein schöner Pop-Kreis geschlossen.
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Neulich erzählte die Schriftstellerin Mirna Funk bei einem Treffen in der Röststätte in Mitte, wie sie einst im Kurvenstar, einem heute nicht mehr existierenden Club in der Großen Hamburger Straße, ihren allerersten Auftritt hatte.
2001 war das, Funk las auf Einladung des Schriftstellers und selbst ernannten Popliteratur-Erfinders Joachim Lottmann, der damals über dem Kurvenstar wohnte und eine „letzte lange Nacht der Popliteratur“ feiern wollte.
Als Ruhmesblatt ist diese Feier nicht unbedingt in die Literaturgeschichte eingegangen, eher als spaßige Lachnummer im Hinterzimmer, auch wenn mit Tex Rubinowitz ein späterer Ingeborg-Bachmann-Preis-Träger auftrat und auch Wolfgang Herrndorf dabei war.
Auch Wolfgang Herrndorf war dabei
Lottmann präsentierte Herrndorf als „groß“, obwohl dieser „Tschick“ und „Sand“ und „Arbeit und Struktur“ noch gar nicht geschrieben hatte, also: Hut ab vor Lottmanns Prophezeiung. Zu schweigen von Mirna Funk, die inzwischen auch eine bekannte Autorin ist und demnächst ihren dritten Roman „Balagan“ veröffentlicht.
Ich erinnere mich, dass der ganze Kurvenstar-Abend etwas irgendwie Desparates hatte, weil Sinn und Zweck der ganzen Übung im Dunkeln blieben, gewissermaßen im Lottmann-Zwielicht. Im Nachhinein bemerkenswert daran ist, dass schon damals der Popliteratur mit ihren Protagonisten wie Benjamin von Stuckrad-Barre oder Christian Kracht so manches Totenglöckchen geläutet wurde, das finale Geklingel aber erst jetzt, fast ein Vierteljahrhundert später, eingesetzt hat. Zum Beispiel mit der von Erika Thomalla herausgegebenen Oral History „Gegenwart machen“.
Oder just mit einer Lesung von Joachim Lottmann am vergangenen Samstag in Rafael Horzons Möbelladen in der Torstraße, von Lottmann in den sozialen Medien als „Weihnachtswunder“ bezeichnet. Wohl deshalb, weil er schwer krebskrank ist. „War das die Abschlussveranstaltung der Popliteratur?“, fragte die „Süddeutsche Zeitung“ einen Tag später und berichtete von einem „sehr gut besuchten“ und „denkwürdigen“ Abend. Womit sich ein schöner Pop-Kreis schließt, vom Kurvenstar in Horzons Möbelladen. Aber nicht, dass nun jemand auf den Gedanken kommt, die Popliteratur sei nie aus Berlin-Mitte herausgekommen.
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