
© dpa/Nicolas Armer
Vor der Eröffnung der Bayreuther Festspiele: Katharina, Isolde und die anderen
Gleich drei Dirigentinnen stehen dieses Jahr am Pult im Festspielhaus. Überhaupt haben in der altehrwürdigen Wagner-Pilgerstätte Frauen viel zu sagen. Fehlt eigentlich nur noch eins zur Gleichstellung auf dem Grünen Hügel.
Stand:
Vor der Eröffnung der Bayreuther Festspiele am Donnerstag mit einem neuen „Tristan“ steht zweierlei bereits fest. Erstens: Der große Skandal – Sexismus-Vorwürfe, Hakenkreuz-Tattoo, Regisseure oder Sänger, die hinwerfen – blieb diesmal aus, stattdessen rumort es nur ein bisschen. Zweitens: Die diesjährige Bayreuth-Saison und -Debatte ist von Frauen geprägt. Auch wenn Angela Merkel erstmals seit 1991 nicht anreist (aber wohl nächstes Jahr wieder).
Da ist zum einen die Prinzipalin, Komponisten-Urenkelin Katharina Wagner, deren Vertrag bis 2030 verlängert wurde. Die Reformforderungen der Kulturpolitik-Prinzipalin Claudia Roth wehrt die 46-Jährige recht locker ab, auch wenn die Kulturstaatsministerin verfügt hat, dass es ab 2025 einen General Manager für die Festspiel-Finanzen geben wird. Eine Person, die in Zeiten klammer öffentlicher Kassen (auch Bayreuth muss sparen, der Chor wird verkleinert) mehr Geld und Sponsoren für das von Bund, Land, Stadt und Förderverein subventionierte Festival auftreibt. Schließlich müssen der Bund und Bayern schon die Gebäudesanierung stemmen, Kostenpunkt bislang 160 bis 170 Millionen Euro.
Wagner bleibt Künstlerische Leiterin und Intendantin mit autonomem Budget. Zum 150-Jahre-Jubiläum 2026 hat sie angekündigt, dass sie den heiligen Bayreuther Kanon aufbricht und „Rienzi“ als elftes Werk in den Spielplan aufnimmt.
Dem „Spiegel“ sagte sie außerdem, dass ab 2027 jährlich zwei Neuproduktionen präsentiert werden (außer wenn ein neuer „Ring“ dran ist). Diese sollen dann nicht mehr nach fünf, sondern nach ein, zwei Jahren ersetzt werden. Einen Vorgeschmack gibt es schon jetzt: Der Premieren-„Tristan“ unter Regie des Isländers Thorleifur Örn Arnarsson mit Semyon Bychkow am Pult löst den 2022er „Tristan“ von Roland Schwab ab.

© Promo/Bertold Fabricius
Die Scharmützel mit Roth, die kürzlich laut über „Hänsel und Gretel“ bei den Festspielen nachdachte und sich mehr Coolness für Bayreuth wünscht, hat Katharina Wagner vorerst für sich entschieden. Alle Welt verteidigt das Alleinstellungsmerkmal der reinen Wagner-Festspiele. Bayerns Kunstminister Markus Blume betont, die Satzung werde bestimmt nicht verändert, „Wagner ist der Stoff, von dem Bayreuth lebt“, auch „Tristan“-Sänger Andreas Schager und Bayreuth-Star Klaus Florian Vogt springen der Intendantin zur Seite.
Und wie steht es, Merkel hin oder her, um den Publikumszulauf? Der unbeliebte Valentin-Schwarz-„Ring“ war 2023 in der Tat nicht ausverkauft. Aber ein Blick in den Onlineshop verrät, dass heuer nur sehr vereinzelte Restkarten zu haben sind. Gut für die Finanzen, denn die Hälfte des Festspieletats stammt aus diesen Verkäufen. Und wer vermisst schon das jahrelange Warten auf Karten?
Die Bereitschaft eines nicht nur traditionalistischen Publikums, für Tickets bis zu 1200 Euro auszugeben (es gibt auch U25-Tickets für 90 und Hörplätze für elf Euro), dürfte mit der Einladung von mehr Dirigentinnen jedenfalls eher steigen. Gleich drei Frauen dirigieren dieses Jahr im „mystischen Abgrund“ des tiefer gelegten Orchestergrabens mit seiner legendären Akustik. Der „Ring“ wird von der versierten Wagner-Maestra Simone Young geleitet; die Ukrainerin Oksana Lyniv steht zum vierten Mal beim „Fliegenden Holländer“ am Pult, die Französin Nathalie Stutzmann zum zweiten Mal beim „Tannhäuser“.
Was die „Tristan“-Premiere betrifft, ist die Regie vertragsgemäß vorab zum Schweigen verpflichtet. Thorleifur Örn Arnarsson ist ohnehin keiner, der ständig Interviews gibt. Bislang hat er dreimal Wagner inszeniert: einen „Parsifal“ 2023 in Hannover mit gemischten Reaktionen, einen „Siegfried“ 2017 in Karlsruhe, einen „Lohengrin“ 2014 in Augsburg.
Tristan und Isolde, der Depressive und die Tatkräftige
Aber etwas sickert immer durch. Der „Hamburger Abendzeitung“ hat er verraten, dass sein Tristan kein strahlender Held ist, sondern „ein verwundeter Mensch“, dem mit Isolde eine aktive Agentin gegenüberstehe, „Subjekt statt Objekt“. Die beiden „treffen sich in dem Moment, in dem sie aus ihren Rollen gefallen sind“.
Dramaturg Andri Hardmeier erzählte wiederum dem BR, dass die Vorgeschichte des Liebespaars eine wichtige Rolle spiele. Hier der als Waisenkind zum Helden erzogene, aber depressive Tristan, dort Isolde, die ihn als Mörder ihres Verlobten töten will. Als die Rächerin jedoch mit dem Schwert über ihm steht und sie sich in die Augen schauen, „passiert etwas bei beiden“, so Hardmeier. Wegen der Rollenverkehrung.
Der bei Wagner von Isolde gereichte Liebestrank diene dann lediglich dazu, diese anderen Machtverhältnisse jenseits der Geschlechter-Stereotypen erneut herzustellen: die tatkräftige Frau, der reagierende Mann. Schau‘ mir nochmal in die Augen: Klingt nach einem spannenden Mann-Frau-Psychogramm. Wagner als Gleichstellungsbeauftragter gewissermaßen. Mal sehen, was Andreas Schager und Camilla Nylund draus machen.
Eigentlich fehlt in der Bayreuther Frauenfrage dann nur noch eins: dass endlich eine Frau den „Ring“ inszeniert. Tatjana Gürbaca war dafür 2022 im Gespräch, es hat nicht geklappt. Der schnellere Rhythmus der Neuproduktionen erhöht die Chancen, schon rein quantitativ. Den nächsten „Ring“ hat Katharina Wagner jetzt für 2026 angekündigt.
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