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Kultur: Vorsicht Vaterland

AUSSER KONKURRENZ James McTeigue schickt in seinem Science-Fiction-Drama „V for Vendetta“ Natalie Portman in eine faschistische Hölle

Der Rächer spricht schönstes Shakespeare-Englisch, nicht selten in Reimen: „Remember, remember, the 5th of November“. Am 5. November wurde er Opfer eines totalitären Regimes, gemeinsam mit zahllosen weiteren Opfern. Aber er hat überlebt, trägt eine Vaudeville-Maske und wohnt in einem mittelalterlichen Verlies, während über der Erde ein faschistisches Regime die Nation in Atem hält. Der Schauplatz: London. Die Zeit: nahe Zukunft. Ausländer, Rebellen und Homosexuelle landen im Konzentrationslager, der Diktator heißt Sutler, George Orwell lässt grüßen.

Das Drehbuch der Brüder Wachowski („Matrix“), versammelt in kruder Mischung alles, was im Kino Angst machen soll: Atomkrieg, tödliche Viren, Folter, finstere Gemäuer, ein eiskalter Tyrann, korrupte Vasallen. Echter Kino-Trash mit billigen Spezialeffekten und ein paar passablen Schauspielern, darunter Stephen Rea und Stephen Fry. Warum um Himmels willen zeigt die Berlinale so was? Na klar, wegen Natalie Portman. Die Zukunft ist hässlich, Natalie Portman ist schön. Ob sie eine gute Schauspielerin ist? James McTeigues Film lässt ihr keine Chance, das zu beweisen. Sie läuft nur als blondgelockte Unschuld namens Evey durch die düstere Szenerie, gibt den Engel in der Hölle. Arglos, ängstlich – und von Kind an traumatisiert. Aber sie wächst dann doch mit ihren Aufgaben.

Evey gerät an den maskierten V, der die Untaten der Bösen grausam rächt, eine Blutspur hinterlässt und das House of Parliament in die Luft jagen will. Ihr wird das Haar geschoren. Schönen Schauspielerinnen wird im Kino neuerdings gerne das Haar geschoren. Das beweist dann ihre wahre Schönheit. Sie wird gefoltert, damit sie sich ihrer Angst entledigt. Toller Trick: Frauen brauchen Gewalt, um groß und stark zu werden. Und, klar, sie hegt bald zarte Gefühle für den kultivierten, geheimnisvollen Unbekannten, der allen Shakespeare-Zitaten zum Trotz den Überwachungsstaat mit Mordsmitteln in die Knie zwingen will.

Über das Verhältnis von Mittel und Zweck macht Regisseur McTeigue sich offenbar keine Gedanken: Was ist das für ein gerechter Krieg, der damit sein Happy-End nimmt, dass ein demokratisches Parlament in die Luft fliegt? Meinen die Wachowski-Brüder, 9/11 hin oder her, dass Gebäude-Wegbomben unter schlimmen Umständen schon okay ist? In „Matrix“ waren sie klüger.

Das befreite Volk trägt zuletzt übrigens selbst massenhaft Maske: ein Heer von Gleichgeschalteten. Ein freies Land sieht anders aus.

Heute 9. 30 Uhr, 18. 30 Uhr und 23. 30 Uhr (Urania)

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